Zwangsarbeit in Xinjiang: Das versteckte Leid einer religiösen Minderheit

Systematische Unterdrückung, Zwangsarbeit, Folter, Vergewaltigung, Menschenversuche und Zwangssterilisation: Zunächst handelte es sich lediglich um Vermutungen, doch dann tauchten Dokumente auf, die traurige Gewissheit brachten. Seit Jahrzehnten werden im Nordwesten Chinas Angehörige der Volksgruppe der Uiguren systematisch unterdrückt, verfolgt und in sogenannte „Umerziehungslager“ gesteckt – und wir alle schauen dabei zu. 

WER SIND DIE UIGUREN?

Bei den Uiguren handelt es sich um eine turksprachige und überwiegend muslimische Minderheit, die ihre Ursprünge in Turkestan hat. Derzeit geht der Weltkongress der Uiguren von einer Gesamtbevölkerung von rund 20 Millionen Menschen aus. Davon leben rund zehn Millionen im heutigen Gebiet der Xinjiang Autonomen Region (XAR) im Nordwesten von China. Somit zählen die Uiguren, neben den Tibetern und Mongolen, zu den größten Minderheiten Chinas. 

Nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) wurden die Uiguren in den letzten Jahrzehnten von der herrschenden und größten chinesischen Bevölkerungsgruppe, den sogenannten Han-Chinesen, immer wieder wirtschaftlich, politisch und kulturell unterdrückt. Dies sorgte schließlich 2021 dafür, dass verschiedene westliche Staaten das Vorgehen der chinesischen Regierung gegenüber den Uiguren in Xinjiang offiziell als „Genozid“ einstufen.

CHINA UND DIE UIGUREN IM KONFLIKT

Das heutige Gebiet Xinjiang, welches von den Uiguren als „Ost-Turkestan“ bezeichnet wird, wurde bereits 1949 von China annektiert. Seit Jahrzehnten gibt es daher Spannungen zwischen den chinesischen Machthabern und den nach nationaler Unabhängigkeit strebenden Uiguren. Die Unzufriedenheit der Uiguren verstärkte sich zunehmend durch die von Peking geförderte Ansiedlung von Han-Chinesen in der Provinz. Zudem solle Xinjiang immer mehr zu einem Überwachungsstaat geworden sein, in dem die Uiguren sowohl in ihrer Sprache, Kultur als auch Religionsfreiheit weiter eingeschränkt werden. Daher kommt es immer wieder zu Protesten und blutigen Auseinandersetzungen zwischen den han-chinesischen und uigurischen Bewohnern. 

Besonders seit den Anschlägen auf das World Trade Center in New York am 21. September 2001 hat die chinesische Regierung begonnen die uigurische Gesellschaft immer wieder mit terroristischen Aktivitäten in Verbindung zu bringen und ihr Vorgehen gegen die Uiguren als Teil des „globalen Kriegs gegen den Terrorismus“ zu rechtfertigen. 

Ende 2019 wurde dann durch geleakte Dokumente bekannt, dass die Regierung mit sogenannten „Umerziehungsmaßnahmen“ in Internierungslagern gegen die Uiguren weiter vorgeht. Offiziell bezeichnet China die Lager lediglich als Schulungszentren, die von Uiguren freiwillig besucht werden können.

Dies konnte 2022 durch die Publikation der  „Xinjiang Police Files“ eindeutig widerlegt werden. So gewährten zahlreiche Dokumente, sowie Bildmaterialen und Transkripte von Reden hoher Parteifunktionäre einen erstmaligen Einblick hinter die Mauern der brutalen „Umerziehungslager“. Zu sehen sind etliche verletze Insassen, mit Sturmgewehren ausgestattete Sicherheitskräfte, sowie ein Inhaftierter in einem „Tiger Chair“, einem Stuhl, der zur Folter benutzt wird.  Ehemalige Häftlinge dieser Lager berichteten zudem über politische Indoktrinierung, Zwangssterilisationen, Zwangsabtreibungen, systematische Vergewaltigungen und Mord.

UIGUREN WERDEN ZUR ZWANGSARBEIT GEDRÄNGT

Adrian Zenz, ein deutscher Anthropologe und wohl bekanntester Forscher zur Lage der muslimischen Uiguren in Xinjiang, unterscheidet zwei staatliche „Programme der Unterdrückung“. Demnach gibt es einerseits die eben genannten „Umerziehungslager“, andererseits gibt es aber auch ein sogenanntes „Arbeitskräfte-Transferprogramm“. Zwar werden im Zuge dieses Transferprogrammes viele Menschen umgesiedelt, dennoch bezieht sich das Wort „Transfer“ nicht allein auf den geographischen Aspekt, sondern viel mehr auf eine Veränderung der gesamten Lebensform selbst. So werden aus uigurischen Hirten und Bauern plötzlich Lohnarbeiter, die gegen ihren Willen gezwungen werden auf fremden Feldern Baumwolle zu pflücken. Untergebracht werden sie in teils überfüllten, heruntergekommenen Wohnheimen, dort sind sie leichter zu überwachen. 

Des Weiteren deuten zahlreiche Recherchen darauf hin, dass im Zusammenhang mit den Internierungslagern tausende Uiguren systematisch und unter strengster Überwachung zur Zwangsarbeit genötigt werden. So gab es 2020 nach Untersuchungen des Australian Strategic Policy Institute (ASPI) den Vorwurf, dass allein zwischen 2017 und 2019 insgesamt 83 ausländische und chinesische Unternehmen von den uigurischen Zwangsarbeitern aus Xinjiang direkt oder indirekt profitierten. Hierzu gehören unter anderem bekannte Autohersteller wie beispielsweise Volkswagen, BMW, Jaguar, Land Rover, Mercedes-Benz und Mitsubishi. Aber auch internationale Modemarken wie H&M, Adidas, Nike, Puma, Tommy Hilfiger und Zara bezogen, ASPI zufolge, immer wieder Waren – vor allem Baumwolle – aus Xinjiang. Auch Technikunternehmen wie Google, HP, HTC, Huawei, LG, Microsoft, Nintendo, Nokia und Sony scheinen in dem Bericht immer wieder auf. Die chinesische Regierung selbst, sowie die verschiedenen Unternehmen weißen die Vorwürfe weiter von sich, bezeichnen sie lediglich als „westliche“ Lügen – trotz der zahlreichen Augenzeugenberichte und unzähligen offiziellen Dokumenten. 

BLUTIGE BAUMWOLLE

In Xinjiang werden etwa 90 Prozent der gesamten chinesischen Baumwolle angebaut – das sind rund ein Fünftel des weltweiten Baumwollangebots. Somit hängt –statistisch gesehen – mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit in fast jedem österreichischen Kleiderschrank zumindest ein Kleidungsstück, welches mit Baumwolle aus Xinjiang hergestellt wurde. Die Tatsache, dass diese Baumwolle größtenteils von uigurischen Zwangsarbeitern gepflückt wird, interessiert nur Wenige. Hunderttausende Uiguren wurden nach Recherchen des Aktivisten Adrian Zenz in den vergangenen Jahren zur Baumwohlernte gezwungen.

Obwohl die Mechanisierung der Erntearbeit in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen ist, muss der Großteil der Ernte immer noch von Hand erledigt werden und das kann täglich zwischen acht bis zehn Stunden lange dauern. Pausen gibt es nicht. Wer sich verweigert, oder schlicht von seinen körperlichen Kräften verlassen wird, muss damit rechnen zurück ins „Umerziehungslager“ geschickt und dort erneut schwerer Folter ausgesetzt zu werden. 

Eigenen Angaben zufolge verzichtet die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie deshalb auf Baumwoll-Lieferungen aus Xinjiang. Im letzten Jahr veröffentlichte Recherchen von STRG_F, einem Format des Norddeutschen Rundfunks, zeigen ein anderes Bild. Demnach wurden Kleidungsstücke der Marken Adidas, Hugo Boss und Puma wissenschaftlich unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Das Labor konnte nachweisen, dass die Baumwolle in den untersuchten Kleidungsstücken eine hohe Ähnlichkeit zu den Baumwollproben aus Xinjiang aufweisen, welche sich eindeutig von anderen Baumwollregionen unterscheiden lassen.  

SCHMUTZIGE SOLARENERGIE

Doch nicht nur Baumwolle wird in uigurischer Zwangsarbeit hergestellt. Auch ein Drittel des sogenannten Polysilizium, welches weltweit bei der Herstellung von Solarzellen verwendet wird, kommt ursprünglich aus der Autonomen Region Xinjiang. Laut Untersuchungen der britischen Sheffield Hallam University und der amerikanischen Beratungsfirma Horizon Advisory schuften auch in diesem Bereich zahlreiche Uiguren, im Rahmen des staatlichen „Arbeits-Programms“. Mittlerweise gehen die USA mit Sanktionen gegen die chinesischen Solarunternehmen aus der Provinz Xinjiang vor. Demnach dürfen keine Waren mehr von Hoshine Silicon Industry, Daqo, East Hope und GCL importiert werden. Auch das EU-Parlament plant für die Zukunft eine vergleichbare Regelung, um gemeinsam gegen die Zwangsarbeit von der muslimischen Minderheit der Uiguren vorzugehen. 

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