Zusammenfassung: Symposium der Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel

Am 20. Juni 2023 fand das Symposium der Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel statt. Schüler*innen, junge Erwachsene, Politiker*innen, Medienvertreter*innen, Vertreter von Kinder- und Jugendeinrichtungen/Kinder- und Jugendorganisationen sowie aus der sozialen Arbeit kamen ins Curhaus am Wiener Stephansplatz um wichtige Fragen zu diskutieren und sich zum Thema „Kinder und Jugendliche als Opfer von Ausbeutung und Kinderhandel“ auszutauschen und auf den aktuellsten Stand zu bringen.

Kinderarbeit ist (immer noch) omnipräsent

Reinhard Heiserer eröffnete die Vortragsreihe, aus der das Symposium im Wesentlichen bestand. Heiserers Weg begann als Entwicklungshelfer in Südamerika und gründete daraufhin mit Volontären und Freunden Don Boscos den Verein „Jugend Eine Welt“, der heute zu den wichtigsten Hilfsorganisationen Österreichs zählt und sich laufend weiterentwickelt. Heute ist er Geschäftsführer und kann mit seiner Erfahrung viel weitergeben. Im Rahmen des Vortrags erklärte er anschaulich, dass Kinderarbeit in den Produkten und Waren die wir kaufen omnipräsent ist, egal ob es um Kaffee, Schokolade oder Kleidung geht. Nur weil sie heutzutage weit weg von „uns“ stattfindet, heißt es nicht, dass es sie nicht gibt.

Historisch gesehen haben Kinder bis vor nicht allzulanger Zeit auch in Österreich gearbeitet. Besonders in Erinnerung geblieben sind die Schwabenkinder, die bis vor rund hundert Jahren noch regelmäßig aufgrund der Armut ihrer Familien nach Oberschwaben zogen, um dort als Saison-Arbeitskräfte für die dortigen Bauern zu dienen. Heiserer brachte viele aktuelle und historische Beispiele zur Kinderarbeit: Kinder als Kaminkehrer in Wien im Zuge der Industrialisierung, als Helfer bei der Feuerwerksherstellung in Indien oder beim Tabakanbau, insbesondere in Malawi.

Allein in der Tabakindustrie sind heute um die 70.000 Kinder tätig. Heiserer zeigte zum Schluss seiner Ausführungen auf, dass es mehr Aufmerksamkeit zur gesamten Ausbeutungs-Problematik geben müsste, damit sich etwas ändert. Förderlich ist die Verbreitung von Informationen zum Thema, aber auch das eigene Einkaufsverhalten kann Positives bewirken – Weniger ist mehr und bei FairTrade kann man sich aufgrund umfassender Kontrollen (zumeist) sicher sein, dass die Produzenten unter fairen Bedingungen arbeiten. Weitere sinnvolle Maßnahmen wären bessere Lieferkettengesetze sowie die Förderung von Ordensschulen wo der Staat in seiner Aufgabe für das Wohl von Kindern zu sorgen versagt. Seinen Vortrag beendete Heiserer, indem er Don Bosco würdigte, der sagte, man solle tun was möglich ist, bis an die Grenze der Verwegenheit. Ein Appell an uns alle, es sich nicht bequem zu machen und bei Ungerechtigkeiten wegzuschauen.

Kinderhandel und Fluchtwaisen

Weiter ging es mit den Vorträgen von Astrid Winkler (ECPAT) und Lisa Wolfsegger von der Asylkoordination. Winkler rückte einige Beispiele für Kinderhandel ins Licht – beispielsweise Vorfälle in Wien, wo Kinder aus Osteuropa gezielt zu Taschendieben ausgebildet werden. In vielen Fällen werden diese Kinder mit falschen Versprechungen und Lockangeboten angelockt, nur um in eine Welt des Schreckens und der Ausbeutung hineingezogen zu werden. Die Identifizierung von Opfern des Menschenhandels gestaltet sich bei Kindern noch schwieriger als bei Erwachsenen. Ein erschütterndes Beispiel dafür ist der Fall von Amina aus dem Jahr 2016. Sie verschwand spurlos aus dem Flüchtlingslager Traiskirchen, und obwohl es Hinweise auf Menschenhandel gab, gestaltete sich die Aufklärung ihres Verschwindens äußerst komplex.

Ein weiteres tragisches Beispiel ist Sascha, der von dem Traum, Model zu werden, getrieben wurde. Er entdeckte eine verlockende Anzeige in einer Lokalzeitung, die ihm eine Chance in der Modebranche versprach. Naiv und voller Hoffnung ging er zu den Inserenten, wo er vermeintlich von einer Agentur den Job bekam. Doch Saschas Eltern wussten von all dem nichts, und er begab sich ahnungslos auf eine vermeintlich aufregende Reise durch die USA. Am Ende der Reise wurde er auf einen Dachboden gebracht und gezwungen, sich für pornographische Inhalte filmen zu lassen.

Lisa Wolfsegger sprach primär über Fluchtwaisen. Kinder, die ohne ihre Eltern geflüchtet sind, unternehmen oft eine gefährliche Reise über die Türkei oder Bulgarien und den Balkan, um Mitteleuropa zu erreichen. Im vergangenen Jahr haben 13.276 Fluchtwaisen in Österreich einen Asylantrag gestellt, und in diesem Jahr wurden bereits 31% der Anträge von Kindern eingereicht. Die Hauptherkunftsländer dieser Kinder sind Afghanistan, Syrien, Somalia, Nigeria, Irak und andere, in denen Kriege, Konflikte und Krisen herrschen. Sobald sie in Österreich sind, stellen sie wie Erwachsene bei der Polizei einen Antrag auf Schutz. Hier erfolgt eine Erstbefragung und die Fluchtgründe werden ermittelt. Danach erhalten sie eine “Grüne Karte”, und es wird überprüft, ob Österreich für ihren Asylantrag zuständig ist. Anders als bei Erwachsenen wird bei Fluchtwaisen kein Dublinverfahren angewendet. Die Herausforderungen beginnen bei der medizinischen Untersuchung, um das genaue Alter der Kinder festzustellen. Dies ist oft nicht aussagekräftig, da viele Kinder ihre Dokumente während der Flucht verloren haben oder gefälschte Papiere besitzen. Da es niemanden gibt, der die Obsorge für sie hat, dauert es oft sehr lange, bis die Obsorgeübertragung vor Gericht erfolgt. Hierbei sind Organisationen wie die Asylkoordination von großer Bedeutung. Diese Kinder verbringen lange Zeit in Bundesbetreuungsstellen wie Traiskirchen, wo die Aufenthaltsdauer oft über 100 Tage beträgt. Während dieser Zeit verschwinden viele von ihnen spurlos. Es sind über 11.000 Fälle bekannt, in denen Fluchtwaisen verschwunden sind, und dennoch wird dem kaum nachgegangen. Traiskirchen ist kein Gefängnis, die Kinder können das Gelände verlassen. Um die Situation zu verbessern, ist eine qualitativ hochwertige Betreuung für diese Kinder dringend erforderlich. NGOs wie Don Bosco betreiben etwa 30 Einrichtungen in Österreich, die Unterstützung und Schutz für Fluchtwaisen bieten. Es ist jedoch bedauerlich, dass es immer noch Gerüchte gibt, dass Österreich keine Afghanen aufnimmt, obwohl tatsächlich jeder Afghane die Möglichkeit hat, Asyl zu beantragen und Schutz zu suchen. Die Herausforderungen im Umgang mit Fluchtwaisen sind vielfältig und erfordern eine umfassende und engagierte Herangehensweise. Eine effektive Betreuung, die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse und die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Behörden und NGOs sind entscheidend, um diesen schutzbedürftigen Kindern eine sichere Zukunft zu bieten.

Aufsuchende Sozialarbeit, Kinderrechte und Opferschutz

Sabine Kallauch sprach als Nächstes über ihre Arbeit bei Kavod. Aufsuchende Sozialarbeit im Rotlichtmilieu, wie sie und viele Helferinnen und Helfer sie leisten, bietet Prostituierten Ausstiegshilfe. Kallauch ist aktuell auch immer wieder in der Ukraine unterwegs. Eine Absurdität ist folgende Tatsache: Asylwerber arbeiten direkt nach ihrer Anmeldung bei der Polizei als freie Selbstständige, aber nicht im Angestelltenverhältnis. Nur ein kleiner Teil arbeitet freiwillig in der Prostitution, Armut ist oft einer der Hauptgründe, weshalb Menschen diesen Weg oft unfreiwillig einschlagen müssen.

Die Gesetzeslage zur Prostitution ist in Europa unterschiedlich. In Osteuropa sind die Gesetze hierzu relativ schwammig, in Westeuropa ist Prostitution weitgehend legal, während in Nordeuropa ein Sexkaufverbot besteht (Nordisches Modell), bei dem der „Käufer“ bestraft wird. Zum Schluss erwähnte Kallauch die auch öffentlich immer bekanntere Loverboymethode, bei der Frauen statt wahre Liebe zu erfahren zur „Ware Liebe“ werden. Zuhälter beuten aus, Loverboys rauben Seelen. 

Weiter ging es mit Sarah Zauner von der Bundesjugendvertretung. Sie sprach über die UN-Kinderrechtskonvention – Länder, die diese unterzeichnet haben, verpflichten sich dazu die Rechte von Kindern zu wahren und zu stärken. Österreich tat dies im Jahr 1992. Kinder haben unter Anderem das Recht auf ein erreichbares Höchstmaß an Gesundheit, das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, Bildung (um Chancengleichheit zu ermöglichen), Recht auf Ruhe, Freizeit und Spiel, sowie Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung. Darüber hinaus sind Kinderrechte im Bundesverfassungsgesetz ebenso verankert. Ein weiteres Recht auf das Zauner zu sprechen kam ist das Recht auf Beteiligung – die BJV kümmert sich besonders intensiv darum, beispielsweise ermöglichte sie den Klimajugendrat. 

In Richtung einer besseren Zukunft

Gegen Ende wurde es philosophisch: Katharina Beclin präsentierte die Ergebnisse der Welt-Cafe-Diskussion, bei der Fragen auftauchten, die nicht eindeutig zu beantworten sind und zum Nachdenken anregen. Zum Beispiel die Frage der Selbstausbeutung: Ab wann kann davon die Rede sein, insbesondere, wenn die betroffene Person sich nicht ausgebeutet fühlt oder ausgebeutet wird aber kein Problem damit hat? Ähnliches gilt für das Thema Zwangsheirat, die Grenzen sind fließend und es wäre falsch Menschen pauschal für ihr Verhalten zu verurteilen, weil man glaubt, sie ließen sich freiwillig ausbeuten. Besser ist es, mit ihnen zu reden und herauszufinden, wie es um ihre Gefühle steht, was sie zu ihrem Verhalten bewegt etc. 

Mit Helmut Sax vom Ludwig-Boltzmann-Institut war auch ein Vertreter der Wissenschaft auf der Bühne präsent. Er ist Experte für Menschenrechte und zeigte auf, dass das Thema Menschenhandel und Ausbeutung facettenreich und komplex ist. Die Gründe dafür liegen oft in Machtungleichgewichten und Profitinteressen. Um dagegen anzukämpfen, braucht es Bewusstseinsbildung und Verbreitung von Information. 

Martina Wolf stellte die Arbeit von Kinderschutzzentren vor. Dabei handelt es sich um Beratungsstellen und nicht um Erstauffanglager wie manchmal geglaubt wird. In Kinderschutzzentren wird auch mit gewaltausübenden Eltern zusammengearbeitet, außerdem wird Psychotherapie und Beratung angeboten. Wolfs Vortrag war der letzte, den Abschluss bildete eine Podiumsdiskussion, bei der noch einmal das gesamte Thema angegangen und diskutiert wurde, wie eine bessere Zukunft ohne Ausbeutung und Machtgefälle aussehen kann – Hope for the Future war dort und wird sich auch weiterhin dafür einsetzen.

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