Trauma und Menschenhandel – Welche Hilfeleistungen gibt es für Betroffene?

Von Menschenhandel Betroffene werden durch die starke psychische und physische Belastung häufig traumatisiert. Um ihren Traumata zu entkommen, brauchen sie professionelle Unterstützung – aber auch wir als Gesellschaft sollten den richtigen Umgang mit Traumata lernen.

MENSCHENHANDEL ALS TRAUMATISIERENDES UMFELD

Menschen, die von moderner Sklaverei betroffen sind oder waren, berichten von verbalen Beleidigungen, menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und körperlichen Gewalttaten. Es ist nicht verwunderlich, dass viele Betroffene von Menschenhandel schwere Traumata davontragen. Die Täter wissen sogar oft über die psychologischen Abläufe Bescheid und machen sich diese zunutze, um ihre Opfer abhängig zu machen und ihr Selbstvertrauen zu schwächen. Häufig werden diese von der Außenwelt isoliert, die Menschenhändler sind dann oft ihre einzigen Vertrauenspersonen. Durch das sporadische Zeigen von Liebe und Zuneigung vermitteln die Menschenhändler den Betroffenen das Gefühl, endlich von jemandem geliebt zu werden. Zwischen Opfer und Täter entsteht dann eine sogenannte „Trauma-Bindung“. Die Beziehung ist geprägt von Episoden der Gewalt und Wut, die aber von den Opfern verziehen werden, weil sie sich mit positiven Episoden abwechseln. 

DIE FOLGEN EINES TRAUMAS

Bei einem Trauma wird die Psyche verletzt und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und in Mitmenschen langfristig geschädigt. Das hat zur Folge, dass das Trauma auch dann noch besteht, wenn die Situation, die das Trauma ausgelöst hat, überwunden wurde. Selbst wenn es Betroffenen also gelingt, Hilfe zu suchen, leiden sie nach wie vor an den Nachwirkungen des Traumas. Wie sich ein Trauma äußert, ist individuell sehr unterschiedlich. Häufige Symptome sind jedoch Albträume und Rückblenden zu traumatischen Situationen. Auf sozialer Ebene zeigt sich oft ein geringes Vertrauen in andere Menschen. Häufig gehen Menschen mit Traumata schon mit der Erwartungshaltung in eine Beziehung, dass sie von der anderen Person hintergangen oder ausgenutzt werden.

Für viele ist es daher schwierig, soziale Bindungen einzugehen, weil sie sich nie sicher fühlen und das Gehirn ständig im Überlebensmodus ist. Die Betroffenen haben auch meist ein geringes Selbstwertgefühl, können Emotionen schwerer kontrollieren, fühlen sich wertlos und geben sich oft sogar selbst die Schuld an dem Leid, das ihnen widerfahren ist. 

THERAPIE ALS HILFE

Den Weg aus einem Trauma ohne fremde Hilfe zu finden, ist schwierig bis unmöglich. Mithilfe einer Therapie kann es den Betroffenen jedoch gelingen, mit ihrer schlimmen Vergangenheit abzuschließen und neue Verhaltensweisen für die Zukunft zu lernen. Die Traumatherapie lässt sich in drei Phasen einteilen. In der ersten Phase geht es um Stabilisierung: Die Betroffenen bekommen Entspannungsübungen und andere Methoden vermittelt, um mit ihrer Angst, mit Suizidgedanken oder Rückblenden besser umgehen zu können. Darauf folgt die Phase der Traumaaufarbeitung, in der eine Auseinandersetzung mit den traumatisierenden Ereignissen der Vergangenheit stattfindet. Die letzte Phase ist Integration, in der sich die Betroffenen Gedanken über ihre Zukunft machen, mit ihrer Vergangenheit abschließen und Strategien entwickeln, um Rückfälle zu vermeiden. 

SICHERHEIT WIEDERHERSTELLEN, VERTRAUEN GEWINNEN

Neben psychologischer Betreuung ist es für die Betroffenen auch wichtig, wieder mehr Sicherheit und Vertrauen im Alltag zu erfahren. Zunächst muss die physische Sicherheit gewährleistet werden. Viele Opfer haben Angst, wenn sie in einer Sammelunterkunft mit vielen anderen Menschen untergebracht werden, und fühlen sich in einem Schutzhaus sicherer. Genauso wichtig wie die physische Sicherheit, ist jedoch auch, dass die Betroffenen wieder Vertrauen in sich und ihre Mitmenschen aufbauen. Die Nähkurse von Hope for the Future bieten daher die Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten in einem sicheren Umfeld zu entwickeln, selbst Entscheidungen zu treffen und so wieder an Selbstvertrauen zu gewinnen. Die Betroffenen erfahren hier, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse respektiert werden, erhalten aber gleichzeitig auch Rahmenbedingungen, die ihnen Struktur und Halt vermitteln. Durch die Nähkurse können Traumata verarbeitet und der Einstieg in die Arbeitswelt bewerkstelligt werden. Zusätzlich sind für ausländische Betroffene Deutschkurse oft ein wichtiger Schritt hin zu mehr Selbstbewusstsein und Sicherheit im Kontakt mit anderen Menschen. Gleichzeitig müssen in vielen Fällen auch die Kontrolle über den eigenen Körper, das Bewusstsein für Bewegungen und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wiederhergestellt werden. Diese Ziele können beispielsweise mit Tanz- und Bewegungstherapie erreicht werden.  

WARUM TRAUMA-THERAPIE UNS ALLE ANGEHT

Hilfe für Traumatisierte kann – und sollte – aber nicht nur von professioneller Seite kommen. Gerade Menschen, die kein Vertrauen in ihr soziales Umfeld haben, benötigen eine starke Community, die sie auffängt und ihnen ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Wenn wir also als Gesellschaft sensibilisiert für Trauma werden und lernen, wie man Betroffenen bei deren Bewältigung hilft, könnten wir traumatisierten Menschen den Weg zurück in einen normalen Alltag erleichtern. Arbeitgeber:innen, die Verständnis für traumabedingtes Verhalten zeigen, Mitmenschen, die Hilfe im Alltag anbieten, und Beziehungen, die auf Verlässlichkeit und Vertrauen aufbauen, sind wichtige Pfeiler, auf die sich Betroffene stützen können. Zusätzlich können auch Re-Traumatisierungen vermieden werden, wenn das Umfeld weiß, welche Wörter, Handlungen oder Situationen die Betroffenen triggern könnten. 

WIE KANNST DU HELFEN?

Folgende Schritte solltest du beachten, wenn du Betroffenen helfen möchtest:

1. TRAUMATA ERKENNEN

Häufige Symptome für eine Traumatisierung sind Flashbacks, Albträume, Nervosität, Konzentrationsschwierigkeiten und Schreckhaftigkeit. Aber auch Gereiztheit, Wut oder Apathie können Anzeichen für eine traumatische Vergangenheit sein. Von außen können Traumata jedoch meist nicht mit Sicherheit erkannt werden. Deshalb solltest du immer mit der Person, bei der du ein Trauma vermutest, sprechen, bevor du voreilige Diagnosen stellst.

2. ANERKENNUNG UND TOLERANZ

Auch wenn es nach außen vielleicht so wirkt, als würden Betroffene in einer Situation überreagieren, sollte man das Verhalten auf keinen Fall verurteilen. Wut, Abschottung oder andere Verhaltensweisen, die wir als negativ wahrnehmen, sind meist nur eine natürliche Reaktion auf schlimme Erfahrungen in der Vergangenheit und sollten auch als solche anerkannt und akzeptiert werden. 

3. AUF DIE WÜNSCHE DER BETROFFENEN EINGEHEN

Wir alle gehen unterschiedlich mit negativen Erlebnissen um. Traumatische Erfahrungen sind hier keine Ausnahme. Während es manchen Betroffenen hilft, über ihre Vergangenheit zu sprechen, reicht es für andere zu wissen, dass jemand für sie da ist. Manche Menschen möchten vielleicht Hilfe bei alltäglichen Tätigkeiten wie Einkaufen, Putzen oder der Organisation von bestimmten Dingen, andere wollen diese Aufgaben selbst in die Hand nehmen. Auch hier gilt also wieder: Am besten ist es, die Person selbst zu fragen, wie man ihr helfen kann.

4. POSITIVE BEZIEHUNGEN

Um das Vertrauen der Betroffenen wiederherzustellen, sollte man in Beziehungen – egal ob freundschaftlich oder romantisch – besonders achtsam sein. Von Menschenhandel Betroffene haben in ihrem Leben soziale Beziehungen meist als instabil und andere Menschen als unzuverlässig und nicht vertrauenswürdig erlebt. Daher ist es wichtig, diese Verhaltensmuster nicht zu wiederholen und einen „safe space“ für Traumatisierte zu errichten, in dem sie sich auf Versprechungen verlassen können. Um das Selbstvertrauen zu stärken, hilft es auch, Erfolge und positive Seiten an der Person zu loben. 

5. NICHT ZU SEHR IN WATTE PACKEN

Besonders beim Umgang mit stark traumatisierten Menschen ist es nur natürlich, wenn man instinktiv versucht, sie zu beschützen. Gleichzeitig sollte man ihnen aber auch nicht alles abnehmen, denn damit wird ihnen auch die Gelegenheit genommen, Erfolgserlebnisse zu sammeln, wenn sie etwas selbst geschafft haben. Das gleiche gilt für das Treffen von Entscheidungen. Viele Betroffene hatten in ihrer Vergangenheit keine Kontrolle über ihr Leben und können daher nicht damit umgehen, wenn sie plötzlich vor viele Entscheidungen gestellt werden. Trotzdem sollten sie, soweit sie davon nicht überfordert werden, selbst bestimmte Dinge entscheiden dürfen und so ihr Leben wieder in die Hand nehmen. 

6. SELBSTSCHUTZ

Traumatisierende Erlebnisse zu hören, kann auch für die Helfenden belastend sein. Stelle also sicher, dass auch du jemanden hast, mit dem du über verstörende Details reden kannst. Es ist auch in Ordnung, wenn du der betroffenen Person mitteilst, dass du nicht mehr über ihre Vergangenheit erfahren möchtest. Selbstschutz sollte immer an erster Stelle stehen.

Wenn wir nicht auf Abstand gehen, sondern uns aktiv mit Trauma in all seinen Formen auseinandersetzen, ist der schwierigste Schritt schon geschafft. Trauma braucht Zeit, um zu heilen, doch in einer unterstützenden Gemeinschaft können die Betroffenen wieder Vertrauen fassen und Hoffnung für die Zukunft gewinnen.  

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