Passport-Bro-Trend: Symbiose oder Ungleichgewicht?

Der Terminus “Passport Bro” bezeichnet eine spezifische Denkweise und Lebensweise von Männern, die sich dazu entscheiden, (romantische) Beziehungen mit Frauen aus anderen Kulturkreisen einzugehen. Die Bezeichnung “Passport Bros” oder auf Deutsch “Passbrüder” basiert auf der Überzeugung, dass ausländische Frauen im Vergleich zu den kulturellen Veränderungen, die in westlichen Gesellschaften beobachtet werden, stärker an traditionellen Werten und Verhaltensweisen festhalten. Die Frage, die sich stellt, ist jedoch, ob es sich tatsächlich um eine Beziehung handelt, die für beide Seiten vorteilhaft ist.

Seit etwa einem Jahr hat sich dieser Trend etabliert und zeigt keine Anzeichen eines Rückgangs; vielmehr nimmt die Anzahl der Anhänger kontinuierlich zu. Der Hashtag #passportbros verzeichnet mittlerweile über 470.000.000 Aufrufe auf der Social-Media-Plattform TikTok.

Derzeit gibt es sowohl Befürworter als auch Gegner dieser Bewegung. Diese Gruppen führen Diskussionen, Austausch und kontroverse Debatten über das Thema auf verschiedenen Online- Plattformen wie YouTube-Kanälen, Podcasts, Facebook-Gruppen und ähnlichen Foren. Der erste Abschnitt der Definition von “Passport-Bros” wird häufig von Personen kritisiert, die der Auffassung sind, dass dieser Dating-Ansatz Vorurteile gegenüber Frauen aus dem Herkunftsland des Mannes birgt. Außenstehende scheinen uneinig darüber zu sein, ob dieser unkonventionelle Ansatz beim Dating als fair betrachtet werden kann oder nicht.

In Wahrheit repräsentiert diese Denkweise keine neue Entwicklung, denn die Vorstellung des westlichen Mannes als jemand, der eine attraktive, exotische und bedürftige ausländische Frau supportet bzw. spitz ausgedrückt ‚aus ihrem Elend rettet‘ ist keineswegs neu. Der Anstoß für das jüngste Aufkommen und die Sichtbarkeit dieser Bewegung liegt unter anderem in der fortschreitenden Emanzipation der Frauen in westlichen Gesellschaften. Die westliche Welt weist eine langjährige Historie der Stereotypisierung, Fetischisierung und Hypersexualisierung von Frauen aus Entwicklungsländern auf.

Der Begriff “Passport Bros” gründet sich auf der Überzeugung, dass einige westliche Frauen eine als aggressiv und feindselig wahrgenommene feministische Philosophie angenommen haben, die zu umstrittenen Beziehungen mit Männern führen kann. Diese Männer sind des Lebensstils und der Ideale von Frauen aus ihrer eigenen Kultur überdrüssig. Vielmehr sehen sie in ausländischen Frauen potenzielle Partnerinnen, die, im Gegensatz zur Entwicklung von scheinbar negativen Eigenschaften westlicher Frauen, über erstrebenswerte Qualitäten verfügen, wie beispielsweise die Bereitschaft, als Hausfrau und Mutter zu fungieren.

Die Passport-Bro-Mentalität entsteht nach Ansicht ihrer Anhänger aufgrund von Bedenken gegenüber der gegenwärtigen westlichen Dating- und Ehekultur. Diese Anhänger sehen eine negative Beeinflussung des Lebens vieler westlicher Männer durch den Feminismus und Individualismus. Eine etablierte Gemeinschaft und Website namens “theofficialpassportbros.com” existiert bereits. Auf dieser Plattform werden westliche Frauen als toxische Individuen beschrieben, die angeblich anstrengendes, provokantes und manipulatives Verhalten an den Tag legen. Die Passport-Bros betrachten solche Verhaltensweisen als unvereinbar mit harmonischen Beziehungen und als Faktoren, die zum Zusammenbruch von Beziehungen zwischen Männern und Frauen in der westlichen Dating-Szene beitragen. Ihrer Meinung nach hat der Feminismus die Frauen aus der Perspektive vieler Männer ‘verdorben’, da er Ideen wie Gleichberechtigung fördert. Die Anhänger der Passport-Bros-Bewegung, die hauptsächlich aus den Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien stammen, argumentieren, dass es westlichen Frauen an Respekt und Mitgefühl gegenüber Männern ihrer eigenen Kultur mangelt.

Auf der Suche nach Frauen, die als ‘traditionell’ betrachtet werden, begeben sich Männer mit einem bestimmten Einkommen und der Fähigkeit zur Fernarbeit auf die Kontinente Südamerika, Südostasien und Osteuropa. Auf der offiziellen Website der Passport-Bro-Bewegung werden eine Auswahl von als ‘attraktiv’ eingestuften Ländern auf den genannten Kontinenten präsentiert, in denen Männer potenzielle Partnerinnen finden können; dazu gehören unter anderem Kolumbien, die Philippinen, Brasilien und andere. In den aufgelisteten Ländern haben nicht nur Frauen, sondern auch andere (gesellschaftliche) Gruppen oft geringere Bildungs- und Berufschancen im Vergleich zu westlichen Ländern.

Nach der Auffassung von Personen, die sich als Feministinnen identifizieren, besteht eine bedeutende Verbindung zwischen der Passport-Bro-Bewegung und der Incel-Kultur, einer Gruppe von Männern, die sich als unfreiwillig enthaltsam Lebende beschreiben und in anderer Hinsicht als Frauenhasser gelten. Analog zu den Incels machen auch die Passport-Bros den Feminismus und die Stärkung der Frauen für ihre individuellen Herausforderungen und Misserfolge verantwortlich.

Soziale Medienkanäle und Foren, auf denen Personen wie Austin Abeyta, auch bekannt als ‘Digital Bromad’, aktiv sind, präsentieren einen aufregenden Lebensstil durch Videos mit jungen spärlich bekleideten Frauen, während er feiert. Dies motiviert zahlreiche Männer, diesem Beispiel zu folgen und sich der Community der Passport-Bros anzuschließen. Austin Abeyta argumentiert, dass es verschiedene Gründe gibt, sich für das Dating im Ausland zu entscheiden. Ein Beispiel hierfür ist, dass Amerikaner in anderen Ländern stereotyp als wohlhabend wahrgenommen werden, was das Knüpfen von Kontakten und das Verbringen von Zeit mit Frauen erleichtert. Es werden Ratschläge darüber gegeben, welche Nationalitäten als am ‚einfachsten‘ bzw. ‚simpelsten‘ gelten, wo man am besten Frauen kennenlernen kann, wo das Leben kostengünstig ist, und ähnlichem.

Diese Ausrichtung offenbart einen Mangel an respektvollem Umgang miteinander, sowie an verantwortungsbewusster und nachhaltiger Planung und Verhalten für eine verbesserte Zukunft für alle. Stattdessen zeugt es von Frauenfeindlichkeit, so die Meinung von Supportern des Feminismus und vieler Frauen. Selbst Andrew Tate, eine prominente öffentliche Persönlichkeit im Kontext toxischer Männlichkeit, äußerte seine Ansichten darüber und gab, wenig überraschend, eine bedauerlicherweise beunruhigende Perspektive zu diesem Thema preis.

Eine Zusammenstellung gewünschter Adjektive für ideale Partnerinnen, verfasst von Männern aus dem Westen, umfasst die Begriffe liebevoll, unterwürfig, gefällig und willig. Dies erinnert stark an die Praktiken der mail-order bride industry, auf Deutsch: Versandhausbraut-Industrie, die gelegentlich als eine abgemilderte Form des Menschenhandels betrachtet wird. Ein Fernseh- Sketch namens “Mai Ling” des deutschen Komikers Gerhard Polt aus dem Jahr 1979 behandelt ähnliche Themen, indem er sexistische und rassistische Stereotypen sowie Vorurteile gegenüber asiatischen Frauen in der deutschsprachigen Gesellschaft aufdeckt. In diesem Sketch wird die Vorstellung veranschaulicht, dass (deutsche) Männer eine ‘gute’ (Haus-)Frau quasi aus einem Katalog auswählen möchten und könnten.

Die Behandlung von Frauen wie Puppen und Kindern durch einige Männer ist äußerst besorgniserregend. Bei genauerer Betrachtung gibt es berechtigten Anlass zur Sorge, da einige Männer, insbesondere sogenannte Incels, eine Faszination für Reinheit und sehr junge Mädchen teilen. Ein beunruhigendes Beispiel hierfür ist, dass auf den Philippinen das Schutzalter bzw. das gesetzliche Einwilligungsalter lediglich bei 12 Jahren (!!!) liegt.

Die Entscheidung, ins Ausland zu reisen, um der Dating-Kultur der westlichen Welt zu entkommen und eine finanziell benachteiligte bzw. eine willige Frau in anderen Ländern zu finden, impliziert ein inhärentes Ungleichgewicht in der Beziehung.

In einer solchen Konstellation ist dem Mann bewusst, dass er in Bezug auf finanzielle Ressourcen eine überlegene Position innehat, und es besteht die Gefahr, dass dies häufig zu einer Ausübung von Macht führt, die in sexueller Gewalt und Ausbeutung resultieren kann.

Insbesondere in Thailand hat sich die Forschung in den letzten Jahrzehnten intensiv mit grenzüberschreitenden Ehen zwischen Frauen aus ökonomisch benachteiligten Regionen Asiens und Männern aus wohlhabenderen Ländern auseinandergesetzt. Thailand fungiert hierbei als herausstechendes Beispiel, da es ein bevorzugtes Ziel für westliche männliche Migranten ist, die sowohl nach sexuellen Beziehungen als auch nach Lebenspartnerinnen, Ehefrauen und Pflegepersonal suchen. Zugleich agiert Thailand als Exporteur von Frauen in wohlhabendere Länder. Es zeigt sich ein zunehmender Trend, in dem immer mehr Frauen Partnerschaften mit Ausländern eingehen. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass die Eheschließung mit einem Ausländer nicht nur als kulturell verwurzelter Wunsch, sondern auch als potenzieller Ausweg aus der Armut betrachtet wird. Infolgedessen wurden in den letzten Jahren sogar Migrationsströme angestoßen. Aufgrund der nachteiligen Auswirkungen auf sowohl den Staat als auch das Individuum, wird in Brasilien sogar vor den potenziellen Konsequenzen, im Zusammenhang mit der Passport-Bros-Mentalität, eindringlich gewarnt. Doch tatsächlich positionieren sich gerade die Partnerinnen der Passport-Bros gegen die Position der FeministInnen. Sie meinen, dass sie entgegen der Annahme der FeministInnen weder ungebildet noch arm sind. Für sie, die traditionellen Frauen, stellt es keine Belastung dar, das Haus zu pflegen und zu kochen, und sie empfinden die Beziehung zu ihren Ehemännern nicht als ein Ungleichgewicht, sondern vielmehr als eine Art Symbiose.

Es handelt sich hierbei nicht lediglich um individuelle Präferenzen für Partnerinnen aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten; vielmehr überschreitet dieses Phänomen Grenzen und wirkt sich nachteilig auf individualistische, demographische und gesellschaftliche Entwicklungen aus. Es stellt eine Hemmnis für den Fortschritt im Unabhängigkeitsprozess von Frauen dar, da das bestehende Machtverhältnis dadurch unausgewogen erscheint. Ein Mann mit einem verbesserten und abgesicherten Lebensstil könnte aufgrund von Misserfolgen in seinem Heimatland dazu geneigt sein, das Stereotyp des erfolgreichen weißen Mannes im Ausland zu instrumentalisieren.

Es sei betont, dass nicht sämtliche Beziehungen zwischen Frauen aus Entwicklungsländern und westlichen Männern auf diese Art und Weise entstehen und mit derartigen, möglicherweise unbewussten Motiven behaftet sind. Eine Pauschalisierung ist daher unangemessen.

Hypothetisch betrachtet stellt sich die Frage, welche Frau, mit eigenen Träumen und Zielen, in einem Szenario, in dem sie alle Chancen sowohl in ihrem Heimatland als auch auf dem dortigen Datingmarkt wie in der westlichen Welt hätte, sich finanziell von einem Mann aus einem ihr unbekannten Land abhängig machen würde.

Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass dieses Phänomen mit disparaten Bildungs- und Karrierechancen sowie der Ausnutzung dieser Unterschiede seitens westlicher Männer in Verbindung steht.

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