Kinderarbeit in der Feuerwerksproduktion: Böllern um jeden Preis?

Das Feuerwerk gehört für Millionen von Menschen zum Jahreswechsel dazu, wie der Donauwalzer, die knallenden Sektkorken oder das traditionelle Glockengeläut der Pummerin. Wie schon in den vergangenen Jahren wird es auch zum heurigen Jahreswechsel in Wien und anderen Landeshauptstädten kein offizielles Feuerwerk geben, dennoch werden jedes Silvester dutzende Raketen von Privatpersonen in die Luft gejagt. Die Folgen: Geldverschwendung, Lärm, Umweltbelastung, Tierleid– dass das Böllern nicht gerade vernünftig ist, wissen wir alle. Über die miserablen Arbeitsbedingungen bei der Feuerwerksherstellung ist hingegen wenig bekannt.

KINDER ARBEITEN FÜR EINEN BUNTEN HIMMEL

Zum Jahreswechsel wird mit dem Verkauf von Raketen, Böllern und anderen pyrotechnischen Produkten allein in Deutschland ein geschätzter Umsatz in Höhe von rund 21 Millionen Euro erzielt. Und das, obwohl Raketen – zumindest in Deutschland –nur an den drei Werktagen zwischen dem 29. Dezember und dem 31. Dezember verkauft werden dürfen. Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) wurden zwischen Januar und September 2022 insgesamt 5.700 Tonnen Feuerwerkskörper nach Deutschland importiert. Zwar waren dies 81 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum vor der Pandemie, dennoch ist zu vermuten, dass mit Ende der Maßnahmen auch die Verkaufszahlen von Raketen, Böllern und Co. wieder in die Höhe schnellen könnten. 

Fest steht, dass der bunte Funkenregen schön anzusehen ist, dennoch werden Feuerwerkskörper immer noch unter äußerst gefährlichen Bedingungen hergestellt. Nicht selten kommt es hierbei zu tödlichen Unfällen – etwa, weil es an nötigen Sicherheitsvorkehrungen fehlt, beziehungsweise diese nicht eingehalten werden können. So kommt es jedes Jahr aufs Neue zu Meldungen wie „24 Tote bei Explosionen in Feuerwerksfabrik in Mexiko“, „Mindestens 21 Tote: Explosion in Feuerwerksfabrik in Indien“ oder „Schwere Explosion in Feuerwerkskörperfabrik – 19 Tote“. Kein Wunder, wenn der kleinste Funken genügt, um die gesamte Fabrik in die Luft zu jagen. 

Doch nicht nur Erwachsene müssen unter unsicheren Bedingungen diese gefährliche Arbeit verrichten.  Laut dem US-Department of Labor (Datenlage 2022) sind in mehreren Ländern, darunter die Hauptlieferanten China und Indien sowie El Salvador, Guatemala, und Peru, zum Teil immer noch Kinder in den Feuerwerksfabriken oder in illegalen geheimen Betrieben beschäftigt. Oft bezahlen sie dafür mit ihrer Gesundheit oder verlieren sogar ihr Leben dafür, dass wir in Europa für wenige Minuten im Jahr einen erleuchteten Himmel bestaunen können.  

„SIE HABEN KEINE FINGERNÄGEL MEHR“

Die Tätigkeiten, welche die Kinder bei der Herstellung von Raketen und Knallkörpern verrichten, erfordern nicht nur höchste Konzentration und Präzision, sondern können auch schwerwiegende gesundheitliche Schäden nach sich ziehen. So hantieren bereits Fünfjährige mit explosionsgefährlichen, ätzenden Substanzen wie beispielweise Schwefel, Schwarz- und Aluminiumpulver. Ganz ohne Handschuhe, Schutzkleidung und Sicherheitsvorkehrungen sind sie diesen und weiteren gefährlichen Inhaltsstoffen tagtäglich ausgesetzt. Bis zu dreizehn Stunden am Tag vermischen sie Chemikalien miteinander, füllen diese in die Feuerwerkskörper, welche sie anschließend mit einer Zündschnur versehen. Die Kinder haben keine freien Tage, kaum Pausen und wissen manchmal gar nicht, was sie verdienen, da sie nur pro fertig gestelltes Stück bezahlt werden. Dadurch werden sie indirekt dazu gezwungen, schneller und länger zu arbeiten um am Ende des Tages einen Hungerlohn zu verdienen. Die Folge: weggeätzte Fingernägel, von Brandnarben gezeichnete Haut, Tuberkulose, Asthma, Kopf- und Rückenschmerzen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Augenprobleme. Viele von den betroffenen Kindern sind auch Opfer von psychischer, körperlicher und verbaler Gewalt. Hinzu kommt das ständige Brand- und Explosionsrisiko bei der Herstellung der Feuerwerksraketen. 

TROTZ VERSCHÄRFTEN KONTROLLEN IN FEUERWERKSFABRIKEN…

Besonders in der Region Sivakasi in Tamil Nadu, aus welcher etwa 90 Prozent der in Indien hergestellten Pyrotechnik stammt, wurde in den vergangenen Jahren die staatliche Kontrolle in den lokalen Feuerwerksfabriken stark gestärkt. Arbeitgeber, die Kinder unter 14 Jahren beschäftigen, müssen nun mit hohen Bußgeldern rechnen. Dies ist allerdings nur ein kleiner Lichtblick, denn leider bedeutet dies nicht, dass es in der Feuerwerksproduktion keine Kinderarbeit mehr gibt. So behauptet etwa die Tamil Nadu Fireworks & Amorces Manufacturers Association, eines der führenden Unternehmen im Bereich der Feuerwerksherstellung in Sivakasi, dass es in ihrem Bereich bereits seit 1982 keine Kinderarbeit mehr geben würde. Experten, wie beispielsweise Rakesh Senger von der ‚Bachpan Bachao Andolan‘ – einer in Indien ansässigen Kinderrechtsbewegung – gehen stattdessen davon aus, dass es in Indien immer noch keine einzige Feuerwerksfabrik gibt, in denen Kinder nicht in der einen oder anderen Form beschäftigt sind. So wird davon ausgegangen, dass die Kinderarbeit in indischen Feuerwerksfabriken heutzutage nur anders organisiert wird: Um keine Strafen zu riskieren, schließen Fabrikbesitzer Verträge mit Subunternehmen ab, die wiederum Verträge mit ärmeren Familien abschließen, die auf das zusätzliche Einkommen angewiesen sind. Es sind vor allem Frauen und Kinder, welche die Feuerwerkskörper dann in Heimarbeit herstellen. Das Problem ist also noch nicht vollständig gelöst, sondern hat sich lediglich verlagert, und zwar an einen Ort, an welchem Kontrollen der Regierung völlig ausbleiben. Dies ist nicht nur ein Problem in der Herstellung von Raketen, Böllern und Co., denn nach Angaben des indischen Ministeriums für Statistik und Progammimplementierung (MoSPI) 2012 sind fast 85 Prozent der Kinderarbeiter in Indien nur schwer erreichbar und nahezu unsichtbar, da sie größtenteils im „unorganisierten Sektor“ schuften, sowohl auf dem Land als auch in der Stadt, zum Teil innerhalb ihrer eigenen Familien in Heimarbeit. 

KEINE BÖLLER SIND AUCH EINE LÖSUNG

Für viele Menschen ist ein Silvester ohne Feuerwerk kaum vorstellbar. Wer das Böllern nicht sein lassen kann, sollte zumindest:

  • auf importierte, nicht-zugelassene Feuerwerksprodukte verzichten und stattdessen auf heimische Produkte zurückgreifen 
  • auf eine CE-Kennzeichnung achten 

Auch wenn ein in Europa hergestellter Böller unter weitaus besseren Arbeitsbedingungen produziert wird empfiehlt Reinhard Heiserer, Geschäftsführer des katholischen Hilfswerks „Jugend Eine Welt“: „Wer von Österreich aus mithelfen will, dass Kinder nicht mehr als Arbeitskräfte dienen müssen, sollte das Geld nicht in die Luft schießen, sondern Ausbildungsprojekte vor Ort unterstützen.”

Denn Jugend Eine Welt, Salesianer Don Boscos, Unicef und zahlreiche weitere Hilfsorganisationen setzten sich bereits seit mehreren Jahren für weniger Kinderarbeit und bessere Arbeitsbedingungen in der Feuerwerksproduktion ein. Mittels zahlreicher Bildungs- und Ausbildungsprojekten, die besonders an jene benachteiligten Kinder und Jugendliche gerichtet sind, arbeiten sie stets daran den Kinderarbeitern eine bessere Zukunft und eine Chance auf ein kindgerechtes Leben zu ermöglichen.

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