Katar im Geldrausch

Der kleine Wüstenstaat Katar sorgt spätestens seitdem bekannt ist, dass die Fußball-WM 2022 dort stattfinden würde regelmäßig für internationales Aufsehen. Die Skandale rund um das Großereignis, nimmt das Land im Rahmen seiner kometenhaften wirtschaftlichen Entwicklung scheinbar in Kauf. Gleichzeitig nähert es sich dem Westen zunehmend an und könnte in Zukunft noch mächtiger werden, als es schon ist. Im Folgenden geht es darum, was das Emirat in diese Position gebracht hat, wie dessen Zukunft aussehen könnte und was das für Hunderttausende Arbeitsmigranten vor Ort bedeutet.

LÖSEGELD IN ASTRONOMISCHER HÖHE

Im April 2017 kamen mehrere Mitglieder der katarischen Königsfamilie nach 16 Monaten Geiselhaft frei. Sie waren auf Falkenjagd im Irak unterwegs, als eine Miliz sie festnahm und astronomische Lösegeldforderungen stellte. Im Endeffekt sollen laut der „Financial Times“ insgesamt rund eine Milliarde Euro aus Katar zur Freilassung der Jagdtruppe sowie 50 von syrischen Dschihadisten gefangener Geiseln geflossen sein, teils in die Kassen iranischer schiitischer Milizen sowie zu Gunsten islamistischer Truppen in Syrien. Diese Zahlen werden hier angeführt, um zu verdeutlichen, wie viel das Emirat für die Freiheit von ein paar Dutzend verbündeter Menschen bereit ist zu bezahlen. Wie viel ist Katar bereit Menschen zu zahlen, auf deren Arbeit der Wohlstand der Nation fußt? Menschen, ohne welche weder Straßen, Stadien noch viele andere Bauprojekte, mit denen sich das Land rühmt, möglich wären? Bis 2020 war man nicht einmal bereit, einen gesetzlichen Mindestlohn für Arbeitsmigranten einzuführen. Dieser liegt heute bei etwa 250 Euro im Monat. Stattdessen verweist man gerne auf das fortschrittliche Sozialsystem, das katarischen Staatsbürgern z.B. großzügige Gehälter, sowie kostenlose Bildungs- und Gesundheitsleistungen bietet.

EINE KURZE GESCHICHTE ÜBER WOHLSTAND UND UNGLEICHHEIT

Katar wurde in sehr kurzer Zeit zu einem der reichsten Länder der Erde. Dessen finanzieller Reichtum fußt hauptsächlich auf den großen Gasvorkommen des Landes, die ab den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts in großem Stil gefördert und in weiterer Folge als Flüssiggas in die ganze Welt exportiert wurden. Die Einnahmen wiederum werden klug investiert, unter anderem in westliche Sportklubs, Medien, Immobilien etc. Das sichert wiederum für „soft power“, die wahrscheinlich auch in der Entscheidung zur Vergabe der Fußball-WM 2022 eine Rolle gespielt hat. Das ist nur eines von mehreren Beispielen des sogenannten „Sportswashing“. Damit ist gemeint, sich durch die Austragung von Sportveranstaltungen sowie Förderung von Sportvereinen sein Image aufzupolieren und sich in gutem Licht darzustellen.

DIE ZUKUNFT KATARS UND SEINER ARBEITSMIGRANTEN

Finanziellen Reichtum auf Rohstoffen zu gründen, die umweltschädlich und ohnedies nur begrenzt auf der Erde vorkommen ist von vornherein fragwürdig. Möglich, dass Katars Machthaber sich dieser Tatsache nicht bewusst sind und eines Tages die Rechnung dafür bezahlen werden. Oder aber es ist eine bewusste Entscheidung, jetzt alles auf eine Karte zu setzen, und zwar die des opulenten, maßlosen und verschwenderischen Lebensstils, der sich in Luxus aller Art, monumentalen Bauwerken und sonstigen Statussymbolen manifestiert, die in Katar zu finden sind. In beiden Fällen ist den katarischen Scheichs allerdings auch eine weitere Tatsache bewusst. Für jedes Bauwerk, jedes Einkaufszentrum, jedes Stadion und jede Straße, die im Wüstenstaat gebaut wird, braucht es neben Rohstoffen auch sehr viel Arbeitskraft. Wie vielerorts berichtet wurde, kamen in den letzten Jahrzehnten hunderttausende Arbeitsmigranten aus zumeist südasiatischen Ländern nach Katar, um an der Errichtung von Infrastruktur, Sportstätten und unzähligen weiteren Bauwerken mitzuwirken. Diese Menschen leben und arbeiten unter teils unwürdigsten Bedingungen um den Wohlstand und Spaß einer privilegierten Schicht zu ermöglichen, nicht wenige davon mussten vermeidbare Tode erleiden, sei es durch die sengende Hitze während oder unvorstellbare Erschöpfung nach der Arbeit.

Es steht außer Frage, dass Krieg jeglicher Form unbedingt zu vermeiden und scharf zu verurteilen ist. Doch es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich viele europäische Politiker sich seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 regelmäßig entrüstet ob der Unmenschlichkeit Putins zeigen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Land am liebsten sofort beenden würden, während sie sich gleichzeitig vor Katar verbeugen (wortwörtlich, siehe Robert Habecks Staatsbesuch in Katar 2022) und förmlich darum betteln, Energiepartnerschaften mit dem Land einzugehen. Das ist ein klassischer Fall von Doppelmoral und Opportunismus. Wie oft hat sich ein europäischer Politiker auf ein Podium gestellt, um Menschlichkeit und Freiheit in Katar einzufordern oder um klarzustellen, dass ein Leben in dreckigen Baracken – anders kann man die Orte an denen viele Arbeiter in Katar auf engstem Raum und ohne Hygienemaßnahmen oder Privatsphäre leben – unwürdig ist? Zeitungsberichte, Talkshowdebatten und Aufrufe zum WM-Boykott sind zu wenig, um an diesen Tatsachen zu rütteln – der Fehler liegt wie so oft im System. In einer Zeit, in der diskutiert wird, ob Heizschwammerl erlaubt sein sollten oder nicht, pumpen sich Europa und Katar Milliarden hin und her, in Form von Geld und Rohstoffen und haben beide Anteil daran, dass beispielsweise Fußballstadien gebaut werden, die bei 50 Grad Außentemperatur auf 20 Grad heruntergekühlt werden. Wir schauen dabei nicht nur zu, wir wählen die Politiker, die so einen Wahnsinn ermöglichen. Ein Vorschlag wäre, Gasdeals mit Bedingungen auszuhandeln: Das Geschäft kommt zustande, wenn beispielsweise garantiert wird, dass Bauprojekte in vernünftigem Rahmen stattfinden und für das Wohl der Arbeiter, die vor Ort tätig sind, tatsächlich gesorgt wird. Dass die Realität oft anders aussieht, liegt nicht zuletzt an einem ganz anderen Problem, für das es keine allgemeine Lösung gibt: Gier.

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