Im Netz der Ausbeutung: Zwangsarbeit in der Fischerei 

Freitag ist Fischtag. Doch in einer Welt, die zunehmend sensibilisiert für Umwelt- und Tierschutzfragen ist, gerät die Fischereiindustrie vermehrt in den Fokus kritischer Betrachtung. Von Überfischung bis hin zu problematischen Fangmethoden reicht die Palette der Anliegen, die den Ruf der Branche immer mehr belasten. Doch abseits der öffentlichen Debatte, die sich vor allem um die nachhaltige Nutzung der Meere und den Schutz der marinen Lebensräume rankt, verbirgt sich ein weiteres Problem, das kaum Beachtung zu finden scheint: Zwangsarbeit. Besonders in China, einem der bedeutendsten Akteure im globalen Fischereigeschäft, sind alarmierende Berichte aufgetaucht, die verdeutlichen, dass die Schatten der Ausbeutung sich auch über die Ozeane erstrecken.

Als Zwangs- oder Pflichtarbeit wird gemäß der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) jede Form von Arbeit oder Dienstleistung betrachtet, die von einer Person unter Androhung von Strafe gefordert wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat. Der Begriff “Strafandrohung” meint hierbei verschiedene Formen von Sanktionen, einschließlich Haftstrafen, Anwendung oder Androhung körperlicher Gewalt, psychischem Druck und Einschränkung der Freiheit der Beschäftigten. Zusätzlich können Drohungen gegenüber den Familien der Opfer oder angedrohte Anzeigen bei Behörden als Mittel zur Einschüchterung dienen. Oftmals werden auch Ausweisdokumente oder Löhne einbehalten, um die Beschäftigten zu zwingen, in der Hoffnung auf zukünftige Bezahlung zu bleiben. 

Zwangsarbeit ist ein weltweites Problem, das sowohl im Globalen Süden als auch im Globalen Norden vorkommt. Die Zahlen der ILO aus dem Jahr 2022 verdeutlichen die Ausmaße dieses Problems: So befanden sich im Jahr 2021 sich schätzungsweise 49,6 Millionen Menschen in moderner Sklaverei, davon 27,6 Millionen in Zwangsarbeit. Der Großteil der Fälle von Zwangsarbeit (86 %) findet in der Privatwirtschaft statt. Von den 27,6 Millionen Menschen in Zwangsarbeit werden 17,3 Millionen in der Privatwirtschaft ausgebeutet, 6,3 Millionen durch erzwungene sexuelle Ausbeutung und 3,9 Millionen im Rahmen staatlich organisierter Zwangsarbeit. Die höchste Anzahl an Zwangsarbeitenden befindet sich in Asien und der Pazifikregion (15,1 Millionen), wobei migrantische Beschäftigte und Wanderarbeitende ein dreimal höheres Risiko haben, Opfer von Zwangsarbeit zu werden, als andere Beschäftigte.

Die größte Fischfangflotte der Welt gehört China. Jährlich fangen sie um die 2,2 Tonnen Fisch und Meeresfrüchte, die weltweit verkauft werden und letztlich auch ihren Weg in unsere heimischen Supermärkte finden. Allerdings war bis vor Kurzem relativ wenig über die Bedingungen bekannt, unter denen dieser Fisch gefangen und verarbeitet wird. Doch ein neuer Bericht der Environmental Justice Foundation (EJF), einer Umwelt- und Menschenrechtsorganisation, deckt das schockierende Ausmaß der illegalen Fischerei und schwere Menschenrechtsverstöße durch die chinesische Fernfischereiflotte auf.

In der chinesischen Hochseeflotte ist illegaler Fischfang weit verbreitet. Aussagen von über hundert Besatzungsmitgliedern auf 88 Schiffen, die vom EJF gesammelt wurden, liefern Beweise für verschiedene Formen von illegalem Fischfang. Fast alle befragten Crew-Mitglieder berichteten von der illegalen Praxis des Abtrennens von Haiflossen an Bord der Schiffe, eine grausame Methode, bei der die als besonders wertvoll angesehen Flossen entfernt und die Tiere anschließend einfach über Bord geworfen werden. Smartphone-Aufnahmen, die dem EJF vorliegen, zeigen auch, wie Seelöwen zu Tode geprügelt und ihre Köpfe abgetrennt wurden. Über ein Drittel der Befragten berichtete, dass geschützte Arten wie Schildkröten und Robben auf ihren Schiffen gefangen und getötet wurden. Zusätzlich gab etwa ein Fünftel der Besatzung an, dass Delfine routinemäßig als Köder für Haie geschlachtet wurden.

Menschenrechtsverletzungen 

Doch nicht nur die Tiere leiden unter diesem ausbeuterischen System, in dem die Gewinnmaximierung und Kostenreduzierung oberste Priorität hat. Denn laut der Environmental Justice Foundation ermöglichen staatliche Subventionen in Höhe von etwa 1,65 Milliarden Euro nicht nur den illegalen Fischfang, sondern führen auch zu schweren Menschenrechtsverletzungen an Bord der Schiffe. 

Arbeiter berichten von körperlichen und verbalen Misshandlungen, kaum Kontakt zur Außenwelt, extremen Arbeitszeiten, wenig Schlaf sowie mangelhafte Versorgung mit Nahrung und Wasser. Die von EJF gesammelten Interviews und Filmmaterialien belegen unter anderem, dass indonesische Besatzungsmitglieder von führenden chinesischen Crew-Mitgliedern mit Metallrohren geschlagen und mit Messern bedroht wurden. Insgesamt gaben mehr als die Hälfte (58%) der Befragten an, dass sie körperliche Gewalt gesehen oder am eigenen Körper erlebt haben; 85 % berichteten von missbräuchlichen Arbeits- und Lebensbedingungen. Zusätzlich gaben fast alle befragten Besatzungsmitglieder (97 %) an, dass sie in irgendeiner Form von Schuldknechtschaft betroffen waren oder dass ihnen wichtige Dokumente, wie Pässe, abgenommen wurden.

I saw my crew mate got hit until he bled… He did not fight back, he could only cry upstairs” 

Bevor der Fisch zu uns nach Europa kommt hat er sehr wahrscheinlich noch einen Zwischenhalt in einer chinesischen Fischfabrik gemacht, wo er verpackt und anschließend für den Verzehr vorbereitet wurde. Obwohl die Arbeitskräfte sich laut dem chinesischen Staat über “Massenbeschäftigung und die gesellschaftliche Harmonie” freuen, konnte The Outlaw Ocean Project sämtliche Beweise und Indizien dafür zusammentragen, dass ein Großteil der Angestellten in chinesischen Fischfabriken aus dem weit entfernten Xinjiang stammt und dort nicht freiwillig arbeitet. 

Die Arbeiter haben praktisch keine Wahl, wenn Rekrutierer an ihre Tür klopfen. Berichten zufolge wurden bereits mindestens tausend Uiguren nach Shandong, ein bedeutender Hafen an der Ostküste Chinas, gebracht, um in den Fabriken Fisch zu verarbeiten. Kritik an diesen Praktiken wird von der chinesischen Regierung zensiert, so das Journalismus-Projekt. Viele Unternehmen leugnen, Mitarbeiter aus Xinjiang zu beschäftigen, und der Zugang für Journalisten ist in der Regel untersagt. Arbeiter aus Xinjiang werden streng überwacht, oft von Sicherheitspersonal begleitet, leben in Sammelunterkünften und essen in separaten Kantinen. Verstöße gegen die zahlreichen Regeln werden hart bestraft. 

Die “The Outlaw Ocean Project”- Journalist:innen haben mehrere Fabriken unter die Lupe genommen, die wahrscheinlich auch Fisch für den europäischen Markt verarbeiten. Erstaunlicherweise waren alle, die Zwangsarbeiter aus Xinjiang beschäftigten, vom Marine Stewardship Council (MSC) zertifiziert. Obwohl Fischereien, die wegen Zwangsarbeit verurteilt wurden, von einer MSC-Zertifizierung ausgeschlossen sind. Das Zertifizierungsunternehmen Sedex, das nachhaltige Lieferketten überprüft, gibt hierbei an, dass es für Prüfer schwierig und riskant sein kann, staatlich verordnete Zwangsarbeit eindeutig zu erkennen. 

Möchte man als Verbraucher solche Praktiken nicht unterstützen, bietet es sich daher an, auf heimische Bio-Fischprodukte zurückzugreifen. Alternativ könnte man dies zum Anlass nehmen, gänzlich auf den Verzehr von Fisch zu verzichten.

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