Gemeinsam gegen Kinderhandel – Wie erkenne ich Betroffene?

Die bittere Realität ist: Kinderhandel ist nichts weit Entferntes, sondern geschieht vor unserer eigenen Haustüre, mitten in Europa. Tagtäglich trifft dieses fürchterliche Schicksal tausende Kinder weltweit. Dubiose Händler nutzen hemmungslos die wirtschaftliche Not von Familien aus, versprechen ihnen Geld und Arbeit, um ihre Kinder dann in menschenunwürdige Verhältnisse zu verkaufen – als Arbeitssklaven, Bettler, Prostituierte oder Kindersoldaten. Es liegt in unserer Verantwortung als Gesellschaft, Kinder zu schützen und ihre Leiden ernst zu nehmen. Den Opfern kann allerdings nur geholfen werden, wenn sie als solche auch erkannt werden. Doch welche Anzeichen deuten auf Kinderhandel hin und was ist bei einem Verdacht zu tun?

MENSCHENHANDEL VS. KINDERHANDEL: WO LIEGT EIGENTLICH DER UNTERSCHIED?

Unter dem Begriff Menschenhandel versteht man gemäß dem UN-Menschenhandelsprotokoll von 2000 (Palermo-Protokoll, Art. 3) „die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung (…) zum Zweck der Ausbeutung“. Bei volljährigen Personen spricht man also nur dann von Menschenhandel, wenn die Tat unter Einsatz unlauterer Mittel (dazu gehören Täuschung, Ausnützung einer Zwangslage, Einschüchterung etc.) ausgeübt wird. Bei Minderjährigen ist der Tatbestand allerding auch dann erfüllt, wenn keines der eben genannten Druckmittel angewandt wurde. Eine etwaige Einwilligung des Kindes oder der Erziehungsberechtigten ist ebenso irrelevant. Kurz gesagt: Wenn Mädchen und Jungen unter 18 Jahren in ausbeuterische Verhältnisse gebracht werden, sind sie als Opfer von Kinderhandel einzustufen, egal ob Gewalt oder Zwang angewendet wurde oder nicht. 

Leider ist den wenigsten Menschen bewusst, welche gigantischen Ausmaße der globale Kinderhandel in den letzten Jahren erreicht hat. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) geht davon aus, dass jährlich rund 1,2 Millionen Kinder zu Opfern von Menschenhändlern werden. Demnach trifft das schreckliche Los tagtäglich etwa 3.000 Kinder. Sie werden als Billigarbeitskräfte ausgenutzt, zur Bettelei oder Kleinkriminalität (Diebstahl, Drogenhandel etc.) gezwungen, als Kindersoldaten oder Prostituierte ausgebeutet, müssen nackt vor Webcams posieren oder werden als Kinderbräute an viel ältere Männer verkauft. Auch wenn dieses Thema lokal oft nicht wahrgenommen wird, ist auch Österreich von dieser Menschenrechtsverletzung als Ziel- und Transitland direkt betroffen.

WIE ERKENNE ICH EIN OPFER VON KINDERHANDEL?

Das Erkennen von potentiellen Opfern des Kinderhandels stellt eine große Herausforderung dar, ist aber dennoch ein essentieller Schritt, um die Ausbeutung von Kindern zu bekämpfen. Man muss sich immer wieder vor Augen führen, dass sich Betroffene häufig selbst nicht als Opfer von Kinderhandel oder Ausbeutung verstehen. Sie befinden sich in einem Zustand extremer Abhängigkeit, Einschüchterung, Angst und Scham. Kinder, die international gehandelt werden, sind der Landessprache häufig nicht mächtig, was sie noch isolierter und abhängiger von denen macht, die sie ausbeuten. Hinzu kommt, dass die eigenen Familienmitglieder oder andere den Kindern nahestehende Personen im Kinderhandel involviert sein können, was die Aufdeckung zusätzlich erschweren kann. Für Außenstehende ist es oft nicht einfach eine mögliche Kindeswohlgefährdung zu erkennen, insbesondere wenn Opfer keine äußeren Anzeichen für Missbrauch zeigen. Jedoch gibt es einzelne Indikatoren, die auf Kinderhandel hindeuten können. Aus diesem Grund hat das Bundeskanzleramt eine Liste von Merkmalen veröffentlicht, um die Identifikation von potentiellen Opfern zu erleichtern:

GRENZÜBERSCHRITT: DIE EINREISE NACH ÖSTERREICH

Nicht immer erfolgt Kinderhandel über internationale Grenzen hinweg.  In jenen Fällen, in denen die Opfer gegen ihren Willen in ein anderes Land gebracht werden, fallen Kinderhändler zum Teil aber schon bei der Einreise auf. Die Opfer reisen grundsätzlich nie alleine, da die Händler es sich nicht leisten können, ihre „Ware“ unbeobachtet zu lassen. Deshalb ist den Begleitpersonen der Minderjährigen erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Häufig wurde die Reise von Personen organisiert, die keine elterlichen Rechte haben und höchstens über ein schriftliches, notariell beglaubigtes Zertifikat verfügen, welches sie berechtigen soll, das Kind ins Ausland mitzunehmen.

ALLGEMEINE WARNSIGNALE: AUSSEHEN UND VERHALTEN DES KINDES

Manchmal können sich bereits im Aussehen des Kindes Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung zeigen. In einigen Fällen weisen die Kinder ungewöhnliche bzw. ungewöhnlich häufige Verletzungen auf oder zeigen Anzeichen für physische Vernachlässigung. Dazu zählen mangelnde Körperhygiene, unpassende Kleidung, schlechter gesundheitlicher Zustand sowie Untergewicht. Sind keine äußeren Anzeichen von Gewalteinwirkung oder Vernachlässigung feststellbar, bedeutet dies jedoch nicht zwangsläufig, dass das Kind nicht gefährdet ist. Besonderes Augenmerk ist auch dem Verhalten der Kinder zu schenken. Mädchen und Jungen, die von Kinderhandel betroffen sind, benehmen sich häufig auffällig: Sie zeigen unterwürfiges oder eingeschüchtertes Verhalten, wirken schreckhaft, nicht kooperativ, dissozial oder eventuell sogar aggressiv. Es kann auch vorkommen, dass die Kinder Geschichten erzählen, die nicht ganz stimmig oder sogar einstudiert wirken. Hierbei muss bedacht werden, dass die Opfer teilweise jahrelang von den Tätern manipuliert und zutiefst verunsichert wurden. Ihnen wurde eingebläut, dass ihnen die Polizei nicht helfen würde und jeglicher Fluchtversuch alles nur noch schlimmer macht. Deshalb müssen alle Äußerungen und Anspielungen des Kindes, die auf Misshandlungen, sexuellen Missbrauch oder Vernachlässigung hinweisen, immer ernst genommen werden, auch wenn diese noch so unglaubwürdig bzw. widersprüchlich scheinen. 

DUBIOSE UMSTÄNDE: DAS PERSÖNLICHE UMFELD DES KINDES

Im nächsten Schritt ist das soziale Umfeld der Minderjährigen zu betrachten. Häufig werden die Kinder von erwachsenen Personen begleitet, welche vorgeben ihre „Eltern“ oder „Erziehungsberechtigte“ zu sein. Wenn das Kind in deren Gegenwart sichtlich angespannt wirkt oder bei Berührungen dieser Personen Unwohlbefinden zeigt oder gar zusammenzuckt, kann dies darauf hinweisen, dass etwas nicht stimmt. Scheint der Erwachsene das Kind zu kontrollieren, indem er für das Opfer spricht, dolmetscht oder das Gespräch in einer anderen Art und Weise zu lenken versucht, ist dies ebenfalls ein deutliches Warnzeichen. Auch in der Öffentlichkeit sind ein liebloses Miteinander und ein grober Umgangston durchaus üblich. Die Opfer sind in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt und stehen unter ständiger Kontrolle durch die Täter. Es ist keine Seltenheit, dass die Kinder eine mangelnde Kenntnis über die eigene Wohnsituation und -lage verfügen. Dies führt dazu, dass sie keine Wohnadresse angeben können und sich in ihrem angeblichen Wohnort auch nicht auskennen. 

KINDERARBEIT: AUSBEUTUNG UND RECHTSVERLETZUNG

Nicht zuletzt ist Kinderarbeit oftmals auch mit dem Phänomen Kinderhandel verknüpft. Die Ausbeutung der minderjährigen Jungen und Mädchen, die Opfer von Menschenhandel werden, geschieht auf vielfältige Weise: Zwang zur Prostitution, Kinder-Pornographie, Bettelei, Kleinkriminalität wie Diebstahl oder Drogenhandel. Häufig werden sie auch als billige Arbeitskräfte im Haushalt, in der Landwirtschaft sowie auf Baustellen ausgebeutet. Häufig sind die Opfer immer wieder an einem anderen Ort tätig, um nicht aufzufallen. Sie haben weder eine Sozialversicherung, noch dürfen sie ihr eingenommenes Geld zur Gänze behalten, da ein großer Prozentsatz des Einkommens einer anderen Person ausgehändigt werden muss. 

WIE VERHALTE ICH MICH BEI EINEM VERDACHT?

  1. Hinsehen, nicht wegschauen: Bettelei, Diebstahl, Drogenhandel, sexuelle Ausbeutung. Kinderhandel kann viele Formen annehmen – umso wichtiger ist es, dass Sie nicht wegschauen, wenn Sie Verdachtsmomente haben. 
  2. Ruhe bewahren: Ein Verdacht löst viele Fragen und Gefühle aus: Mitgefühl, Angst etwas falsch zu machen, Wut auf die möglichen Täterinnen und Täter, Unsicherheit, Druck möglichst schnell Hilfe zu holen etc. Aber auch wenn es manchmal schwerfällt, hilft es niemanden, wenn man in blinden Aktionismus verfällt und überstürzt und unüberlegt handelt. 
  3. Unterstützung holen: Der Schutz des Opfers steht immer an erster Stelle.  Deshalb ist es wichtig, dass Sie bei einem Verdacht den mutmaßlichen Täter auf keinen Fall ansprechen, sondern es sofort den Behörden melden. Die Täter könnten dadurch sonst alarmiert werden, erneut Druck auf das Kind ausüben und wichtige Beweise verschwinden lassen. 

ANLAUFSTELLEN

MENSCHENHANDELS-HOTLINE

Wenn Sie Informationen betreffend Kinder- oder Menschenhandel haben, dann können Sie sich rund um die Uhr mit Hinweisen an die Menschenhandels-Hotline im Bundeskriminalamt wenden:

Telefon/Phone (24/7): +43-677-61343434
E-Mail: menschenhandel@bmi.gv.at  
E-Mail: humantrafficking@bmi.gv.at

MELDEN VON KINDERPORNOGRAPHIE UND KINDERSEXTOURISMUS

Wenn Sie Texte, Bilder oder ähnliches entdecken, die kinderpornographische Inhalte enthalten, oder wenn Sie Angebote von Sextourismus mit Kindern entdecken, können Sie diesen Fund hier melden:

E-Mail: meldestelle@interpol.at
Fax: +43 1 24 836-951310

Sie können zudem eine Strafanzeige bei jeder Polizeidienststelle erstatten.

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