Die Feinheiten des Föderalismus

In der letzten Arbeitsperiode (2021-2023) der Task Force Menschenhandel wurde unter anderem ein Papier zur Regelung der Prostitution in Österreich veröffentlicht. Dieses zeigt sogleich die Schwierigkeiten auf, welche durch die nicht einheitliche Gesetzgebung innerhalb von Österreich entstehen: „Vordringlich wird jedoch eine Harmonisierung der Rechtslage und Vollzugspraxis durch eine Stärkung der strukturierten Kooperation der Länder untereinander sowie zwischen dem Bund und den Ländern empfohlen.“ (Seite 72).

Seit den 1970er-Jahren ist die sogenannte Sexarbeit in Österreich entkriminalisiert und auf Bundes- sowie auf Landesebene gesetzlich geregelt. Auf Bundesebene sind sozial- und steuerrechtliche Aspekte einheitlich festgelegt. Die Details jedoch werden von den Bundesländern individuell geregelt. Und genau hier kann der Föderalismus in Österreich wieder einmal hinterfragt werden: Einige Länder haben eigene Gesetze zur Sexarbeit erlassen, während in anderen die Bestimmungen in Polizeigesetzen enthalten sind und diese variieren je nach Bundesland. Das führt also dazu, dass je nach Bundesland andere Definitionen sowie Bestimmungen herrschen. Die Arbeitsgruppe AG Prostitution wurde 2009 gegründet, um Empfehlungen für Maßnahmen im Bereich der Prostitution abzugeben. Ihre Vorschläge sind nicht bindend, werden jedoch teilweise vom Gesetzgeber berücksichtigt. Die Pandemie hat Schwächen im Regulierungssystem aufgedeckt, was eine Diskussion über neue Modelle für die Regulierung von Sexarbeit in Österreich angestoßen hat. Amnesty International befürwortet die Entkriminalisierung von Sexarbeit und die Einbindung von Sexarbeitenden in politische Entscheidungsprozesse, während die EU das nordische Modell unterstützt, das Ausbeutung und Menschenhandel durch Ausstiegsprogramme bekämpfen soll. Genauso einen Zugang vertreten auch wir und bieten laufend Kurse an, um betroffenen Personen neue Möglichkeiten aufzuzeigen, u.a. ein neues Handwerk – wie Nähen – zu erlernen. Auch wir von Hope for the Future kämpfen dafür, Menschen neue Perspektiven aufzuzeigen – hier geht es zu unseren Kursen.

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Die einzelnen gesetzlichen Regelungen werden als Herausforderung benannt und daher die Übertragung der Regelungskompetenz von den Ländern auf die Bundesregierung empfohlen. Voraussetzung sei allerdings, dass liberale Gesetze der Länder – wie etwa das Wiener Prostitutionsgesetz – mitbedacht werden. Es wird betont, dass die Regelung auf Landesebene erfolgen sollte, ohne Möglichkeit für Gemeindeverordnungen, da oft das spezifische Fachwissen auf Gemeindeebene fehlt, was zu weiterer Rechtszersplitterung führt. Ein Beispiel dafür ist das Sexualdienstleistungsgesetz in Oberösterreich, das Gemeinden zwar befugt, zeitliche und örtliche Einschränkungen vorzunehmen, aber nähere Vorschriften über den Betrieb von Bordellen der Landesregierung vorbehalten sind. Beispielsweise Einrichtung, Ausstattung und Reinhaltung der Räume, was wiederum Intransparenz zur Folge hat. Eine detaillierte Übersicht bietet dieser Blogeintrag „Die Prostitutionsgesetze der Bundesländer im Vergleich“.

Die Zuständigkeiten der Länder im Bereich Raumordnung und Flächenwidmungspläne beeinflussen direkt die Zulassung von Bordellbetrieben. Eine restriktive Regulierung auf lokaler Ebene, gepaart mit unklaren rechtlichen Definitionen und einer strengen Durchsetzungspraxis, kann jedoch dazu führen, dass der Markt illegale Wege sucht, um weiterhin aktiv zu bleiben. Beispielsweise werden in Regionen, in denen Bordelle nicht erlaubt sind, häufig Table-Dance-Lokale beantragt, die sexuelle Dienstleistungen vermitteln, ohne dass dies ausreichend nachweisbar ist. Dies verdeutlicht, wie die zersplitterte Gesetzgebung gleichzeitig dazu beiträgt, dass diejenigen, die in dieser Branche tätig sind, gefahrlaufen nicht angemessen geschützt werden zu können.

Erfahrungen aus Städten wie Wien, Graz und Linz haben gezeigt, dass legal betriebene Bordelle in der Regel unauffällig sind und darauf bedacht sind, keine Probleme zu verursachen. In diesen Städten funktionieren Bordellbetriebe sogar in Wohngebieten gut, ohne die Bewohner:innen zu belästigen.

Eine Frage der Definition Ideologien und moralische Weltbilder definieren die Sichtweisen auf Prostitution maßgeblich. „Religiöse Werte, geschlechtsspezifische Vorstellungen von Sexualität sowie geschlechtsspezifische und globale Arbeitsteilungen beeinflussen den politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Umgang mit Prostitution. Die unterschiedlichen Zugänge bewegen sich zwischen zwei Extrempositionen: Prostitution als (sexualisierte) Gewalt gegen Frauen versus Prostitution als Arbeit wie jede andere.“

Gewerbsmäßig (wiederholte und gegen Entgelt) erbrachte sexuelle Handlungen mit Körperkontakt werden unter den Begriffen Prostitution/Sexdienstleistung/Sexualdienstleistung/Sexarbeit zusammengefasst.

Dabei gilt es jedoch zu bedenken, dass diese Begrifflichkeiten unterschiedliche Wirkungen haben. Der Begriff Prostitution vermittelt Bilder, die das gesamte Spektrum umfassen, von der strafrechtlich relevanten (sexuellen) Ausbeutung unter Gewaltanwendung (Zwangsprostitution) bis hin zur selbstbestimmten Prostitutionsausübung. Die Begriffe Sexdienstleistung/Sexarbeit hingegen bringen die verfolgte Absicht der Regulierung und damit auch der Professionalisierung der Sexarbeit besser zum Ausdruck (Regelungen zur Ausübung gewerbsmäßiger sexueller Handlungen unterliegen unabhängig von ihrer konkreten Bezeichnung auch dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG) und werden daher bevorzugt verwendet. Entsprechendes gilt für die Begriffe Prostituierte/Prostituierter und Sexdienstleisterin/Sexdienstleister/Sexarbeiterin/Sexarbeiter, führt der Bericht des Weiteren aus.

So genannte abolitionistische Bewegungen streben ein Verbot der Prostitution an, da sie als Ausdruck bestehender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ungleichheiten betrachtet wird, insbesondere zwischen Frauen und Männern. Prostitution wird als bezahlte Vergewaltigung betrachtet, die Frauen zu Handelswaren degradiert und mit Menschenhandel gleichgesetzt wird. Entgegen den abolitionistischen Bestrebungen stehen Positionen, die eine Entkriminalisierung und Regulierung der freiwilligen Erbringung von sexuellen Dienstleistungen fordern und eine Gleichstellung mit anderen Berufen erreichen wollen. Sexarbeit ermöglicht eine selbständige Existenzsicherung und muss daher entkriminalisiert werden, um schlechten Arbeitsbedingungen, Ausbeutung und Menschenhandel den Nährboden zu entziehen. Die AG Prostitution umfasst rund 30 Expert:innen, vorwiegend aus polizeilichen Fachstellen und spezialisierten Beratungsstellen sowie relevanten Fachbereichen der Bundes- und Landesverwaltung. Ein Großteil der Mitglieder hat direkte Berührungspunkte mit der Zielgruppe. Durch Gastteilnehmer:innen wie Sexdienstleister:innen soll gewährleistet werden, dass spezifische Fragestellungen auf umfassendere Weise betrachtet werden können. Interessanterweise wurden bisher von der AG Prostitution Sexualdienstleistungen, die keinen direkten körperlichen Kontakt umfassen, wie zum Beispiel Telefonsex, Cybersex und Pornographie, außer Acht gelassen. Diese unterliegen gänzlich anderen Rahmenbedingungen und sollten daher gesondert behandelt werden.

Die Frage, die nun also gestellt werden kann, ist, warum bisher noch keine einheitliche gesetzliche Grundlage geschaffen wurde. Gesetzliche Unterschiede und Auslegungen führen auch in diesem Bereich dazu, dass noch mehr Unsicherheit geschaffen wird. Der Mangel an klaren Definitionen führt dazu, dass Personen in diesen Tätigkeitsfeldern unter fehlenden Schutzmaßnahmen leiden und eine Ausbeutung noch leichter ermöglicht wird. Allein die Tatsache, dass sogar je nach Bundesland „Lokalitäten“ unterschiedlich benannt werden, stiftet zusätzliche Schlupflöcher.

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