Der Säugling als Ware

Menschenhandel kennt keine Altersgrenze – der illegale Handel mit Babys ist ein boomendes Geschäft. Erst vor kurzem haben Fahnder eine kriminelle Bande aufgedeckt, die mit Neugeborenen handelte. Über Asien gelangten die Babys in die Ukraine und wurden von dort in wohlhabende europäische Länder verkauft – mitunter war auch Österreich Zielland dieser skrupellosen Menschenhändler.

DER GEPLATZTE TRAUM VOM EIGENEN KIND

Bis zu 15 Prozent aller Paare in Österreich sind ungewollt kinderlos und immer mehr Menschen leiden an Unfruchtbarkeit. Der Schmerz des unerfüllten Kinderwunschs kann so stark ausgeprägt sein, dass man jeden Preis zahlen würde, um den langersehnten Nachwuchs endlich in den Armen zu halten. Viele Paare versuchen letztendlich im Ausland ihr Glück – die Ukraine gilt hierbei als ein besonders geeignetes Land.

BABYGLÜCK AUS DEM AUSLAND

Russland, Griechenland, Georgien, Großbritannien und die Ukraine sind die einzigen europäischen Länder, die Leihmutterschaft erlauben. Besonders in der Ukraine ist diese Art der assistierten Reproduktionstechnik weit verbreitet und viele verzweifelte Paare westeuropäischer Länder wenden sich an ukrainische Internetseiten, um sich den Kinderwunsch zu erfüllen. Die Ukraine ist auch wegen der verhältnismäßig geringen Kosten so beliebt für die Leihmuttersuche. Diese liegen ungefähr zwischen 26.000 und 60.000 Euro, je nachdem, welche „Extraleistungen“ man möchte. Das Land erlaubt zum Beispiel auch die Auswahl des Geschlechts anhand Präimplantationsdiagnostik des Embryos. Rund 50 Kliniken für künstliche Befruchtung gibt es in der Ukraine.

LEGALES GESCHÄFT ODER MENSCHENHANDEL?

Das Problem bei diesen Reproduktionsmöglichkeiten in der Ukraine ist, dass es zwar zahlreiche Verwaltungsvorschriften dazu gibt, aber keine verankerten Gesetze. Die Praktiken der Kliniken seien auch nicht überwacht, kritisiert der Vizepräsident des „Ukrainischen Verbandes für Reproduktionsmedizin“ Walerij Sukin. Im Jahr 2018 wurde der Chefarzt einer ukrainischen Kinderwunschklinik wegen Menschenhandels verdächtigt und angeklagt. Ein italienisches Paar bezahlte eine Leihmutter und nachdem das Kind geboren war, wollten sie es in ihre Heimat bringen. Da wurde jedoch festgestellt, dass die DNA des Kindes trotz Samenspende des Vaters nicht mit demjenigen übereinstimmte. Es konnte zwar nicht ausgeschlossen werden, dass die Reagenzgläser im Labor vertauscht wurden, dennoch wurde der behandelnde Arzt wegen dringenden Verdachts auf Menschenhandel angeklagt.

UKRAINE ALS UMSCHLAGPLATZ FÜR BABYHANDEL

Im August berichtete die Kronenzeitung über einen Menschenhändlerring in der Ukraine, der Babys aus Asien „importierte“, um sie nach Westeuropa weiterzuverkaufen. Das Geschäft war äußerst lukrativ. Für das Austragen der Babys fand man Frauen in armen asiatischen Ländern – denen bezahlte man lediglich einen Hungerlohn. Außerdem wurden diese Frauen dazu gebracht, eine Scheinehe mit einem Mann im Zielland einzugehen. Nach der Geburt des Kindes wurde im Namen der leiblichen Mutter bzw. „Ehefrau“ eine Vollmacht ausgestellt, die den Ehegatten dazu berechtigte, das Kind zu sich ins Land zu holen.

EXPORTZIEL ÖSTERREICH

Interpol konfiszierte zahlreiche Dokumente, welche die dubiosen Geschäfte dieser Verbrecher beweisen. Laut der Krone gab es 160 „Vorbestellungen“ aus ganz Europa, darunter auch aus Österreich. Pro Baby zahlten Paare ungefähr 60.000 Euro. Ob die Betroffenen wussten, woher diese Babys kamen und unter welchen Umständen sie zu ihnen gelangten, ist unklar. Die Behörden zeigten sich wenig überrascht, dass Österreich zu den Zielländern zählte. Tatsächlich behält Österreich laut der UN den wenig ruhmreichen fünften Platz der Menschenhandel-Exportländer der Ukraine.

BABYHANDEL AUCH IN GRIECHENLAND

Letztes Jahr haben griechische Behörden in Zusammenarbeit mit Europol einen Menschenhändlerring aufgedeckt, der sich auf den Verkauf von Neugeborenen spezialisiert hatte. Dieser hat vorwiegend schwangere Frauen aus Bulgarien und anderen osteuropäischen Staaten ins Land gelockt. Thessaloniki war Schauplatz dieses Geschäfts. Nach der Geburt der Kinder wurden diese den Frauen für einen Spottpreis abgekauft und auf dem illegalen Markt für bis zu 28.000 Euro weiterverkauft.  Auch mit menschlichen Eizellen wurde gehandelt. Anscheinend betrieben die Händler dieses organisierte Verbrechen seit 2016. Bis zu 500.000 Euro dürfte die Organisation seither mit dem illegalen Babyhandel verdient haben.

BABYS FÜR 1700 EURO

Griechenland hat, ähnlich wie Bulgarien, sehr lasche Regelungen was Adoption und Leihmutterschaft betrifft. In bulgarischen Roma-Gemeinden, wo große Armut herrscht, sehen Frauen die Chance, sich etwas Geld zu verdienen, indem sie ihre neugeborenen Kinder nach Griechenland verkaufen. Viele Bewohner solcher Siedlungen sind Analphabeten und leben in großem Elend. Im Jahr 2015 konnte Bulgarien den Verkauf von 33 Säuglingen nachweisen – die Dunkelziffer ist vermutlich hoch.  

EIN BABY UM JEDEN PREIS?

Das Problem wurzelt zum einen in der Armut der betroffenen Frauen. Für wenig Geld erklären sich diese bereit, als Leihmutter zu dienen oder ihr ungeborenes Kind gegen Geld wegzugeben, um ihre Familien ernähren zu können. Man wundert sich, wie Mütter zu so etwas fähig sind, doch Armut treibt Menschen zu Verzweiflungstaten. Wie so oft wird die Schuld bei denen gesucht, die eigentlich Opfer sind, Opfer eines Landes, dass sich nicht um seine Bürger kümmert und in dem sich einige wenige bereichern, während andere Hunger leiden. Die betroffenen Frauen unterziehen sich sicher nicht aus Lust und Laune einer künstlichen Befruchtung und tragen ein Kind aus, dass sie nicht großziehen werden. Egal, ob es sich um Frauen in Asien oder Osteuropa oder sonst irgendwo auf der Welt handelt – kriminelle Banden bereichern sich an der Armut und Perspektivlosigkeit dieser Frauen und müssen dafür hart bestraft werden, um Nachahmungstäter abzuschrecken.

Andererseits müssen auch Paare wachsam sein und hinterfragen, woher ihr langersehntes Baby kommt und unter welchen Umständen es ihnen versprochen wird. Auch wenn der Kinderwunsch noch so dringend ist, sollte man sich die Frage stellen, ob man das Leid anderer dafür in Kauf nehmen darf. Ein Geschäft gibt es immer nur dann, wenn die Nachfrage da ist. Auf keinen Fall sollte man seinen Nachwuchs auf irgendwelchen zwielichtigen ausländischen Webseiten „bestellen“. Kinder dürfen nicht wie eine Ware behandelt werden, denn das entspricht keinem würdevollen Leben. Vielleicht ist also der eigene Verzicht manchmal das Beste, was man für andere tun kann.