Eine Bilanz des Engagements und ein Ausblick auf zukünftige Herausforderungen
Ohne Erleichterungen geht es nicht!

Anfang Juni 2025 feierte die Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel ihr zehnjähriges Bestehen. Einen ganzen Tag lang stand das zivilgesellschaftliche Engagement im Fokus. Das Programm zeigte eindrucksvoll, wie weit die Zivilgesellschaft in der Auseinandersetzung bzw. im Kampf gegen Ausbeutung und Menschenhandel gekommen ist – und gleichzeitig, wie viel noch zu tun bleibt. Die Veranstaltung brachte Vertreter:innen aus Politik, Verwaltung und internationalen Organisationen sowie einzelnen Personen, die sich dem Kampf gegen Ungerechtigkeiten verschrieben haben, zusammen, um Bilanz zu ziehen, aktuelle Herausforderungen zu diskutieren und konkrete Zukunftsperspektiven für Betroffene in den Mittelpunkt zu stellen.
Die Feierlichkeiten fanden im Rahmen eines zweigeteilten Programms statt: Am Vormittag lag der Fokus auf Bildungsarbeit und direkter Aufklärung mit Schulklassen. Am Nachmittag folgte ein Konferenzteil mit Fachvorträgen und einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion. Die Veranstaltung war geprägt von einem respektvollen Austausch, fachlicher Tiefe und einem gemeinsamen Ziel: der Verbesserung der Situation von Betroffenen von Ausbeutung und Menschenhandel in Österreich und darüber hinaus.
Vormittag: Prävention durch Aufklärung – Arbeit mit Schulschlussklassen
Der erste Teil des Tages war gezielt der Präventionsarbeit gewidmet. Die Plattform hatte mehrere Schulabschlussklassen eingeladen, um gemeinsam mit ihnen zum Thema Menschenhandel zu arbeiten. Ziel war es, junge Menschen für die oft unsichtbaren Formen moderner Ausbeutung zu sensibilisieren. Denn die Erfahrung weist klar auf, dass eigentlich nicht früh genug begonnen werden kann, gegen Menschenverachtendes Verhalten aufmerksam zu werden.
Die Workshops boten Raum für Reflexion, Nachfragen und Diskussionen. Besonders
diese Arbeit mit jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen der Plattform, die in den letzten zehn Jahren kontinuierlich in der Bildungsarbeit aktiv war. Denn nur durch frühzeitige Sensibilisierung kann langfristig eine Gesellschaft entstehen, die Ausbeutung erkennt, benennt und bekämpft.
Nachmittag: Konferenzteil mit internationaler Perspektive und nationalem Handlungsbedarf
Nach der Mittagspause begann der zweite Teil der Veranstaltung: Der Konferenznachmittag bot nicht nur Raum für Rückblick und Würdigung, sondern vor allem für fachliche Impulse, Erfahrungsaustausch und Ermahnungen, welche konkreten Schritte erfolgen müssten!
Bereits beim informellen Ankommen ab 13:30 Uhr kamen Gäste bei Kaffee und süßem Gebäck ins Gespräch, während an mehreren Informationstischen Organisationen ihre Arbeit vorstellten – von Beratungseinrichtungen über Opferschutzeinrichtungen bis zu internationalen Netzwerken. Auch wir von Hope for the Future waren natürlich vertreten und stellten auf einen Verkaufstisch wunderschöne Nähprodukte, welche von unseren Klient:innen gefertigt wurden, aus.


Um 14:00 eröffnete Katharina Beclin, Koordinatorin der Plattform, offiziell den Konferenzteil. In ihrer Rede zog sie eine eindrucksvolle Bilanz der letzten zehn Jahre: Von anfangs wenigen engagierten Akteur:innen hat sich die Plattform zu einem anerkannten, bundesweit und international vernetzten Bündnis entwickelt. Besonders hervorgehoben wurden Erfolge in der Sensibilisierungsarbeit, der politischen Einflussnahme und dem Aufbau von Opferschutzstrukturen. Doch es wurde schnell klar: Wir sind noch lange nicht am Ziel. Ausbeutung ist in Österreich keine Ausnahmeerscheinung – sie ist Realität für viele Menschen, Tag für Tag. Und zu viele Betroffene bleiben ohne Schutz, ohne Rechte, ohne Perspektive.
Ein zentrales Thema war die Frage nach Zukunftsperspektiven für Betroffene. Wer Opfer von Menschenhandel wird, braucht nicht nur kurzfristigen Schutz, sondern langfristige Stabilität, Zugang zu Wohnraum, Arbeit und Bleiberecht. Nur so kann eine wirkliche Reintegration und ein selbstbestimmtes Leben möglich werden.
Internationale Perspektiven: Erkenntnisse aus Europa
Der erste Fachvortrag kam von Ia Dadunashvili, Gender Equality Rapporteur der GRETA (Group of Experts on Action against Trafficking in Human Beings) des Europarats. Sie bot einen fundierten Überblick über Entwicklungen im europäischen Raum und zeigte auf, welche politischen und strukturellen Maßnahmen in anderen Ländern bereits umgesetzt werden – und wo es Defizite gibt. Besonders betonte sie die Bedeutung eines menschenrechtsbasierten Zugangs, der nicht nur auf Strafverfolgung setzt, sondern den Schutz der Betroffenen konsequent ins Zentrum stellt.
Dadunashvili machte auch deutlich, dass die Herausforderungen überall ähnlich sind: fehlende Koordination zwischen Behörden, restriktive migrationspolitische Regelungen, begrenzter Zugang zu Justiz und Unterstützungsangeboten. Gerade deshalb sei der Austausch zwischen Ländern, zivilgesellschaftlichen Organisationen und internationalen Institutionen so wichtig.
Nationale Realitäten: Unterstützung und Hürden in Österreich
Im Anschluss gab Botschafter Georg Stillfried, Sektionsleiter im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten und Nationaler Koordinator gegen Menschenhandel, einen Überblick über Österreichs Maßnahmen in diesem Bereich. Er verwies auf den bestehenden Nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel, die Rolle von Koordinationsmechanismen und die Einbindung zivilgesellschaftlicher Partner:innen. Stillfried unterstrich, dass Österreich sich zu einem umfassenden Opferschutz bekenne, betonte aber auch die Komplexität der rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen. Aufmerksamen Zuhördenden wurde schnell klar, dass konkrete Maßnahmen oder Schritte nicht offeriert bzw. benannt wurden. Vielmehr wurde eine Art von Resümee gezogen, welches den Fach-Teilnehmenden deutlich zu kurz gegriffen war.

Die Caritas-Rechtsberaterin Maryam Alemi warf anschließend einen kritischen Blick auf die aufenthaltsrechtliche Situation von Betroffenen. Sie sprach von einem Spannungsverhältnis zwischen Schutz und Status: Zwar gebe es theoretisch Schutzmaßnahmen, aber in der Praxis seien viele Betroffene durch unsicheren Aufenthaltsstatus, restriktive Auslegung von Paragraphen und bürokratische Hürden dauerhaft in prekären Lebenslagen gefangen. Der Zugang zu Asylverfahren, Aufenthaltstiteln und Integration in den Arbeitsmarkt sei für viele faktisch versperrt – mit gravierenden Folgen für ihr Sicherheitsgefühl, ihre Gesundheit und ihre Zukunftschancen.
Podiumsdiskussion: Perspektiven schaffen – aber wie?
Nach einer kurzen Kaffeepause begann um 16:00 Uhr die abschließende Podiumsdiskussion. Unter der Moderation von Irene Brickner (Der Standard) diskutierten Vertreter:innen aus Wissenschaft, Praxis und internationalen Institutionen unter dem Titel: „Langfristiger Aufenthalt und Arbeitsmarktzugang als Zukunftsperspektiven?“

Auf dem Podium saßen:
- Ia Dadunashvili, GRETA
- Bärbel Heide Uhl, Expertin für europäische Anti-Menschenhandelspolitiken
- Carola Luengo Espinoza, LEFÖ-IBF
- Markus Zingerle, MEN VIA – Unterstützung für männliche Betroffene
- Maryam Alemi, Caritas Rechtsberatung
- Julia Koffl, Staatsanwaltschaft Wien
Die Diskussion war differenziert, engagiert und in einigen Momenten auch emotional. Mehrfach wurde betont, dass der Zugang zu langfristigem Aufenthalt und legaler Arbeit ein entscheidender Faktor für den Opferschutz ist – nicht nur aus humanitären, sondern auch aus praktischen Gründen. Für die betroffenen Personen sowie für die betroffenen Ländern, in denen die Menschen ‚landen‘. Ohne Perspektiven geraten viele Betroffene in neue Ausbeutungsverhältnisse oder verschwinden aus den Unterstützungssystemen. Sie fliehen und verstecken sich oder geraten erneut in eine Ausbeutungs-Falle.
Carola Luengo Espinoza von LEFÖ-IBF betonte, dass insbesondere weibliche Betroffene häufig mehrfach belastet seien – durch Migration, sexueller Gewalt, Armut und Ausgrenzung. Ein Bleiberecht, das an die Bereitschaft zur Aussage in einem Strafverfahren gebunden ist, sei für viele keine Option: „Sicherheit darf nicht an Kooperation mit der Justiz geknüpft werden.“
Markus Zingerle brachte die Perspektive männlicher Betroffener ein, die oft übersehen werde. Besonders im Bereich Arbeitsausbeutung – etwa in der Landwirtschaft, im Bau oder in der Logistik – seien viele Männer betroffen, denen Unterstützungsangebote fehlen oder die aus Scham keine Hilfe suchen.
Bärbel Heide Uhl unterstrich die Verantwortung der EU-Staaten, das Recht auf Schutz unabhängig vom Aufenthaltsstatus umzusetzen. Europa brauche einheitlichere Standards und eine klare Trennung zwischen Migrationspolitik und Opferschutz.
Fazit: Zehn Jahre Engagement – und ein klarer Auftrag für die Zukunft
Die Jubiläumsveranstaltung der Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel war nicht nur ein Rückblick auf zehn Jahre engagierter Arbeit, sondern auch ein wichtiger Impuls für die Zukunft. Sie zeigte auf, wie eng Fragen von Schutz, Recht, Integration und politischer Verantwortung miteinander verwoben sind – und dass die Bekämpfung von Menschenhandel weit über Strafverfolgung hinausgeht.
Die zahlreichen Beiträge machten deutlich: Wer es ernst meint mit dem Schutz von Betroffenen, muss ihnen Rechte zugestehen, nicht nur Hilfe anbieten. Es braucht strukturelle Reformen, rechtliche Sicherheit und gesellschaftliche Solidarität. Die Plattform hat in ihren ersten zehn Jahren viel erreicht – doch ihr Anliegen ist heute aktueller denn je.
Das Jubiläum war ein klares Signal: Der Kampf gegen Ausbeutung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – und er beginnt mit dem Zuhören, dem Ernstnehmen und dem konsequenten Handeln für die Rechte der Betroffenen.
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