Verkauft für die Ehe: Der illegale Brauthandel in China

In den letzten Jahrzehnten ist das Geschlechterverhältnis in China zunehmend aus dem Gleichgewicht geraten. Erst 2015 hatte die Regierung die umstrittene Ein-Kind-Politik abgeschafft, doch die Folgen sind immer noch spürbar. Denn in der Volksrepublik herrscht nun ein Überschuss an frustrierten männlichen Junggesellen und der illegale Brauthandel nimmt stetig zu. 

Als Bräute nach China verkauft… 

Laut einer Untersuchung der John Hopkins Bloomberg School of Public Health aus dem Jahre 2018 sollen bereits rund 7.500 Frauen und Mädchen aus Myanmar nach China verkauft worden sein, um dort Zwangsehen einzugehen. Die meisten von ihnen stammen aus den Krisenbundesstaaten Kachin und Shan im Norden des Landes. Auch die vietnamesische Regierung berichtet allein zwischen 2012 und 2017 von rund 6.000 Fällen, die Dunkelziffer dürfte aber deutlich höher sein. Die meisten von ihnen werden an ältere, kranke oder körperlich beeinträchtige Männer in abgelegenen ländlichen Gebieten Chinas für wenige Tausend Euro verkauft. Ein Großteil von ihnen wird eingesperrt und zum Sex gezwungen, damit sie schwanger werden. Nur die wenigsten kehren zurück. Selbst wenn sie die Flucht vor ihren Peinigern schaffen, kommt diese Freiheit mit einem Preis: Sie müssen ihre Kinder zurücklassen und die Hoffnung aufgeben, sie jemals wieder zu sehen.

Menschenhandel, Zwangs- und Kinderehen – Wo liegt eigentlich der Unterschied? 

Gemäß dem UN-Menschenhandelsprotokoll von 2000 (Palermo-Protokoll, Art. 3), versteht man unter dem Begriff Menschenhandel „die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung (…) zum Zweck der Ausbeutung“. Bei Erwachsenen wird nur dann von Menschenhandel gesprochen, wenn die Tat unter Verwendung unlauterer Mittel (einschließlich Täuschung, Ausnützung einer Zwangslage, Einschüchterung usw.) begangen wird. Bei Minderjährigen hingegen gilt der Tatbestand auch dann als erfüllt, wenn keines der genannten Druckmittel angewendet wurde. Eine eventuelle Zustimmung des Kindes oder der Erziehungsberechtigten ist in diesem Zusammenhang ebenso irrelevant. Demnach gelten Mädchen und Jungen unter 18 Jahren, die in ausbeuterische Verhältnisse gebracht werden als Opfer von Kinderhandel, unabhängig davon ob Gewalt oder Zwang angewendet wurde oder nicht. 

Eine Ehe darf grundsätzlich nur bei freier und uneingeschränkter Willenseinigung der künftigen Ehegatten geschlossen werden. Demnach liegt eine Zwangsheirat vor, wenn die Eheschließung gegen den Willen einer oder beider Ehepartner erfolgt. In vielen Fällen werden die betroffenen Personen unter Druck oder Zwang gesetzt, die Ehe einzugehen. Dies kann durch physische, psychische oder emotionale Gewalt, Erpressung oder Einschüchterung geschehen. Auch in Österreich gibt es jedes Jahr einige Hundert Fälle. 

Die Kinderheirat ist eine spezielle Form der Zwangsheirat, bei der mindestens ein Partner unter 18 Jahren ist. Insbesondere Mädchen sind von Kinderheirat betroffen, da sie in einigen Ländern bereits mit dem Einsetzen der Periode als heiratsfähig gelten. 

Die Hintergründe… 

Die chinesische Bevölkerung ist seit der Umsetzung der Ein-Kind-Politik, die zwischen 1979 und 2015 umgesetzt wurde, rückläufig. Dieser Rückgang ging mit einem zunehmenden Geschlechterungleichgewicht einher, da männliche Nachkommen – vor allem im ländlichen Bereich – bevorzugt wurden. Das führte dazu, dass weibliche Föten häufiger abgetrieben wurden. Die Folge? Nun fehlen in der chinesischen Gesellschaft schätzungsweise bis zu 40 Millionen Frauen. Prognosen deuten darauf hin, dass bis 2030 etwa ein Viertel der Männer über 30 unverheiratet sein wird. Es gibt bereits 17 Millionen mehr Männer als Frauen im Alter von 20 bis 39 Jahren.

Diese Diskrepanz hat verschiedene Konsequenzen zur Folge. Laut chinesischer Tradition muss der Bräutigam vor der Hochzeit eine Mitgift an seine zukünftigen Schwiegereltern zahlen. Früher handelte es sich dabei meist um ein kleines Geldgeschenk. Da die Frauen nun allerdings in der Unterzahl sind, haben sie und ihre Familien die Möglichkeit, wählerischer bei der Partnerwahl zu sein. Obwohl die Angaben zu den “Brautpreisen” stark variieren, müssen angehende Ehemänner damit rechnen, in vielen Teilen Chinas 16.000 Dollar (ca. 13.000 Euro) oder mehr für ihre zukünftige Ehefrau bezahlen zu müssen. Dies führt dazu, dass Männer aus ärmeren Regionen, insbesondere dem ländlichen Gebieten, nach neuen Perspektiven suchen müssen. Denn im Vergleich dazu kostet eine „Kinderbraut“ aus Vietnam gerade einmal 5.000 Dollar (ca. 4.000 Euro). Immer häufiger kommt es nun vor, dass alleinstehende Männer die „Dienste“ von Menschenhändlern in Anspruch nehmen, um Zwangsbräute aus Nachbarländern zu importieren.

Menschenhändler nutzen das Vertrauen ihrer Opfer schamlos aus

Besonders besorgniserregend ist, dass ärmliche ethnische und religiöse Minderheitsgruppen von diesem Phänomen überproportional betroffen sind. Die niedrige gesellschaftliche Stellung der Opfer trägt dazu bei, dass die chinesische Regierung dem Problem nur geringe Priorität einräumt. Frauen und Mädchen aus der ganzen Welt, vor allem aber aus Vietnam und Myanmar, werden mit falschen Versprechen von Arbeitsplätzen und Beschäftigungsmöglichkeiten angeworben und dann an ihre Peiniger verkauft. Nicht selten werden sie von Menschen, die sie kennen und denen sie vertrauen, wie beispielsweise Freunden oder Familienmitgliedern, hintergangen. Sind sie dann erst mal aus ihrem Heimatland verschleppt worden, sind die Frauen schutzlos ausgeliefert. Eine hohe Anzahl der Mädchen und Frauen erlebt daraufhin häusliche und/oder sexuelle Gewalt. Dies führt nicht nur zu erheblichen psychischen und körperlichen Schäden bei den Opfern, sondern stellt auch eine Gefahr für ihre physische Gesundheit dar. Besonders problematisch ist die Tatsache, dass ein Großteil der „Bräute“, die teilweise selbst noch Kinder sind, gezwungen werden, schwanger zu werden und ein Kind auszutragen, bevor ihr Körper dazu überhaupt in der Lage ist. Häufig werden jene, die versuchen zu fliehen inhaftiert, abgeschoben oder gewaltsam zu ihren „Ehemännern“ zurückgebracht. 

Erschwerte Rückkehr

Für diejenigen, die es schaffen zu fliehen, ist das Trauma noch lange nicht vorbei. Obwohl die Opfer in einigen Fällen liebevoll von ihren Familien wieder aufgenommen werden, gibt es in ihren Heimatdörfern dennoch nur wenige Hilfsangebote. Laut Dinh Thi Minh Chau, einer Psychologin bei der vietnamesischen NGO Blue Dragon, wurden viele der Entführten in China über lange Zeit hinweg zum Nichtstun gezwungen und durften das Haus nie verlassen. Sie wissen schlichtweg nicht, wie sie mit ihrer neu gewonnenen Freiheit umgehen sollen. Blue Dragon bietet den Opfern oft eine langfristige Nachbetreuung und Therapie an.

Allerdings klappt die Wiedereingliederung in die Familie nicht immer reibungslos, insbesondere in kleinen Dörfern. Die Frauen werden stigmatisiert, es gibt Gerüchte und nur wenige Möglichkeiten, sich zurückzuziehen, erklärt Chau.

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