In Nordkorea gibt es keine Heldinnen. Zumindest nicht, wenn man den offiziellen Verlautbarungen des Regimes glaubt. Hier stehen Loyalität zum Staat und Gehorsam im Mittelpunkt – und Frauen gelten in erster Linie als die stillen Unterstützerinnen einer männlich dominierten Gesellschaft. Doch ein genauer Blick zeigt ein anderes Bild: Es sind vor allem die Frauen, die in einem krisengeschüttelten Land den Alltag ihrer Familien sichern, oft auf Kosten ihrer eigenen Sicherheit und Freiheit. Dort kämpfen sie mit den Anforderungen, die das traditionelle Rollenbild an sie stellt: als perfekte Mutter, gehorsame Ehefrau und unsichtbare Arbeiterin. Wir beleuchten die widersprüchliche Welt nordkoreanischer Frauen, die einerseits unterdrückt, andererseits jedoch unersetzlich sind – weit mehr, als die Machthaber zugeben würden.

Ein ständiger Überlebenskampf
Im Jahr 1945 begann für Nordkorea ein neues Kapitel – und mit ihm eine Neudefinition der Rolle der Frau. Denn das Ende der japanischen Kolonialherrschaft brachte für Nordkoreas Frauen zunächst ein unerwartetes Versprechen: Gleichheit. Nach Jahrhunderten patriarchalischer Strukturen schien die sozialistische Ideologie eine neue Ara einzuläuten. Politische Rechte, Zugang zu Bildung und die Möglichkeit, gleichberechtigt zu arbeiten, waren für viele Frauen ein Schritt in eine unbekannte, aber hoffnungsvolle Zukunft. Doch diese Hoffnungen wurden schon bald durch die Realität des Koreakriegs auf eine harte Probe gestellt.

Frauen übernahmen Aufgaben, die zuvor Männern vorbehalten waren. Sie arbeiteten in Rüstungsfabriken, kümmerten sich um Verwundete und standen an der Front des Wiederaufbaus. Gleichzeitig blieben sie in ihrer traditionellen Rolle als Ehefrauen und Mütter gefangen. Der Krieg bedeutete nicht nur den Verlust von Angehörigen, sondern zwang Frauen auch, sich in einem Land zurechtzufinden, das in Trümmern lag. Nach dem Krieg wurde die Mobilisierung der Frauen offiziell zur Staatsdoktrin. In Filmen und Propaganda wurden sie als unersetzbar dargestellt, die die Leichtindustrie vorantrieben und gleichzeitig die Revolution in den Familien leisteten.
Doch während die sozialistische Ideologie Frauen eine wichtige Rolle zuschrieb, schränkte die ökonomische und politische Realität ihre Möglichkeiten zunehmend ein. Die Schwerindustrie – das Aushängeschild des Wiederaufbaus – war eine Männerdomäne, während die Arbeit der Frauen oft als zweitrangig abgetan wurde.
Mit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch der 1990er Jahre änderte sich das Leben der Frauen erneut radikal. Sie wurden zur treibenden Kraft der sogenannten Langmadang-Wirtschaft, einem informellen Marktsystem, das inmitten des staatlichen Versagens entstand. Diese Märkte boten vielen Frauen die Möglichkeit, ihre Familien zu ernähren.
Die Stimme der Ungehörten
Die Covid-19-Krise hat in Nordkorea die bereits fragile soziale und wirtschaftliche Ordnung weiter destabilisiert, mit katastrophalen Folgen für Frauen und Mädchen. Sie sind doppelt belastet – als Hauptverdienerinnen und als zentrale Pflegepersonen in ihren Familien. Mit der Schließung der Grenzen und der strikten Kontrolle von Bewegungs- und Handelsmöglichkeiten durch das Regime verloren viele Frauen den Zugang zu den Langmadang-Märkten, auf denen sie traditionell die Existenzgrundlage ihrer Familien sichern. Die ohnehin knappen Ressourcen des Landes wurden durch die Pandemie weiter eingeschränkt, wodurch der Zugang zu Nahrungsmitteln, Medikamenten und Gesundheitsdiensten für Frauen noch schwerer wurde.

Ein UN-Bericht dokumentiert eine alarmierende Zunahme häuslicher Gewalt, die oft durch die wirtschaftlichen Belastungen und die erzwungene Isolation während der Pandemie ausgelöst wurde. Dabei wird Gewalt gegen Frauen in Nordkorea von staatlicher Seite nicht nur ignoriert, sondern häufig auch indirekt gefördert. Die Straflosigkeit für Täter und die Stigmatisierung von Überlebenden führen dazu, dass Gewalt gegen Frauen ein weitgehend unsichtbares Phänomen bleibt, das nicht zur Rechenschaft gezogen wird.
Ein besonders dunkles Kapitel des Berichts beleuchtet die Bedingungen für inhaftierte Frauen. Viele von ihnen, die oft wegen geringfügiger oder politisch motivierter Vergehen festgehalten werden, sind inhaftiert, ohne Zugang zu rechtlichem Beistand oder fairen Verfahren. Während der Haft erleben sie schwerste Menschenrechtsverletzungen – die Rede ist von Folter, sexuellem Missbrauch und Zwangsarbeit. Diese Praktiken zeigen, wie Gewalt gegen Frauen nicht nur auf gesellschaftlicher, sondern auch auf staatlicher Ebene systematisch eingesetzt wird, um Kontrolle auszuüben und abzuschrecken.
Gefangen zwischen Grenzen

Die Situation von Frauen und Mädchen in Nordkorea ist durch die Pandemie noch prekärer geworden, so bleibt für viele die Flucht aus dem Land die einzige Hoffnung auf ein besseres Leben – ein Weg voller Gefahren und Leid. Neun von zehn Flüchtenden aus Nordkorea, die es nach Südkorea schaffen, sind 2024 Frauen gewesen. Die Gründe, warum es überwiegend Frauen sind, die diese riskanten Fluchtwege beschreiten, sind vielschichtig. Einerseits bietet ihre Rolle in der nordkoreanischen Gesellschaft – insbesondere als Händlerinnen auf den Märkten – ihnen gelegentlich mehr Mobilität und Zugang zu Informationen als Männern. Andererseits sind Männer durch die strikte Kontrolle durch das Regime und die Gefahr, als Deserteure der Armee verfolgt zu werden, großen Risiken ausgesetzt, wenn sie versuchen, das Land zu verlassen. Während Männer also an den Grenzen zu China häufig aufgegriffen und sofort zurückgeschickt werden, gelingt es Frauen eher, sich in China zu verstecken – oft unter schlechten Bedingungen. Denn selbst nach einer erfolgreichen Flucht aus Nordkorea bleibt der Weg nach Südkorea ein langer und gefährlicher Prozess. Viele Frauen verbringen Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte, in China oder anderen Transitländern, bevor sie die Möglichkeit erhalten, weiterzureisen. Während dieser Zeit leben sie oft in ständiger Angst vor Entdeckung, da chinesische Behörden nordkoreanische Flüchtlinge regelmäßig verhaften und zurückschicken – eine Praxis, die von internationalen Menschenrechtsorganisationen immer wieder scharf kritisiert wird. In China, wo Frauen durch die Ein-Kind-Politik und die damit einhergehende Geschlechterungleichheit knapp sind, hat sich ein Schwarzmarkt für nordkoreanische Bräute entwickelt. Diese Frauen werden nicht nur ihrer Freiheit beraubt, sondern bleiben oft jahrelang in einer Form der Gefangenschaft gefangen, bevor sie es schaffen, Hilfe zu finden und ihre Flucht fortzusetzen.
Eine Lösung auf den Rücken der Frauen
Inmitten der zahlreichen Probleme, die die Frauen in Nordkorea plagen – von der Armut über die alltägliche Gewalt bis hin zur systematischen Unterdrückung – zeigt sich die Reaktion von Kim Jong Un auf die sinkende Geburtenrate als bemerkenswert zynisch. Während der Diktator Ende 2023 in einer tränenreichen Rede betonte, dass er die Herausforderungen des demografischen Rückgangs in enger Zusammenarbeit mit den Müttern lösen wolle, ignoriert er damit die tatsächlichen Bedürfnisse und Rechte der Frauen. Eine Gesellschaft, die Frauen hauptsächlich als Gebärmaschinen betrachtet, aber gleichzeitig ihre grundlegenden Rechte und Freiheiten verletzt, wird nie in der Lage sein, eine echte Veränderung herbeizuführen. Die Schaffung von Bedingungen, die es Frauen ermöglichen, ohne Angst vor Missbrauch oder Unterdrückung zu leben, wäre ein wirklicher Schritt, um die Geburtenrate zu steigern – nicht die rein symbolische und politisch motivierte Rhetorik des Diktators.

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