Süße Schokolade – Bitterer Nachgeschmack: Kinderarbeit im Kakaoanbau

Sobald die Tage dunkler werden und die Temperaturen fallen, gibt es wohl nichts Schöneres, als sich nach einem langen Herbstspaziergang mit einer heißen Schokolade in der Hand, etwas Süßem oder einem Stück Kuchen auf die Couch zu legen. Doch für unseren Genuss müssen anderswo Kinder leiden, denn immer noch kann nahezu jedes Kakaoprodukt aus afrikanischem Anbau mit Kinderarbeit in Verbindung gebracht werden. Doch gehen die Hersteller dagegen überhaupt vor? Und was kann ich als Konsument oder Konsumentin bewirken?

KINDERARBEIT AUF KAKAOPLANTAGEN – DIE DUNKLE SEITE DER SCHOKOLADE

Laut Statista gehört Österreich zu den Spitzenreitern beim Schokoladenkonsum: Pro Jahr essen wir durchschnittlich acht Kilogramm Schokolade pro Person. Tendenz steigend. Doch der Appetit kann einem schnell vergehen, wenn man über die Herkunft der süßen Köstlichkeit nachdenkt. Denn obwohl in Ghana und der Elfenbeinküste, den Hauptanbaugebieten von Kakao, Kinderarbeit offiziell verboten ist, sieht die Realität häufig anders aus. Häufig liegen die Kakaoplantagen in abgelegenen Gebieten, was dafür sorgt, dass die Kontrollen der Regierung ausbleiben. Denn für flächendeckende Überprüfungen fehlen sowohl finanzielle, als auch personelle Ressourcen. Folgendermaßen ergab eine Untersuchung des US-Arbeitsministeriums von 2020, dass heutzutage immer noch rund 1,5 Millionen Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen auf Kakaoplantagen in Westafrika arbeiten müssen, manche von ihnen gerade einmal fünf Jahre alt. 

MACHETE STATT SPIELZEUG, SCHUFTEN STATT SCHULE

Die Arbeiten, welche die Kinder auf einer Kakaoplantage verrichten, sind vielfältig und alles andere als altersgerecht. Die meisten Kinder, die auf Kakaofarmen arbeiten, tun dies innerhalb ihrer Familienstruktur. Manche müssen vor und nach der Schule auf der elterlichen Farm aushelfen. Andere haben jedoch nicht einmal die Möglichkeit zur Schule zu gehen, sondern schuften bis zu 12 Stunden täglich auf den Kakaoplantagen und führen dabei die gleichen Tätigkeiten wie die Erwachsenen aus. Dies bedeutet konkret, dass die Minderjährigen bis zu 70 kg schwere Kakaosäcke in weit entfernte Lagerstätten durch den Dschungel schleppen müssen – eine viel zu schwere Last für ihre noch nicht ausgewachsenen Körper. Täglich hantieren sie bei sengender Hitze mit Macheten, um die Kakaofrüchte von den Bäumen zu schneiden oder Unkraut zu beseitigen. Zudem werden von ihnen häufig Pestizide und andere aggressive Chemikalien versprüht, ganz ohne jegliche Schutzmaßnahmen. Nicht selten kommt es daher vor, dass diese harte, ausbeuterische Arbeit bei den Jungen und Mädchen körperliche, aber auch seelische Wunden hinterlässt. Meistens bekommen sie nicht einmal einen Lohn für das, was sie durchmachen müssen. Neben der Arbeit von Kindern auf familieneigenen Plantagen ist der Kinderhandel eine weitere Facette des Problems: Immer wieder werden Kinder aus den Nachbarländern Mali und Burkina Faso in die Elfenbeinküste verkauft, um dort als billige Arbeitskräfte ausgebeutet zu werden. 

WENIGER IST NICHTS

Warum Kinderarbeit im Allgemeinen immer noch praktiziert wird, haben wir bereits in der Vergangenheit umfassend beleuchtet. Gerade im Kakaosektor spielt Armut eine bedeutsame Rolle für Kinderarbeit: Für viele westafrikanische Kleinbauern stellt der Kakaoanbau die wichtigste Einnahmequelle dar. Doch der Preis für ihre Ware ist einfach zu niedrig, denn die Kakaobäuerinnen und -Bauern erhalten gerade einmal 6 Prozent des Preises, den die KonsumentInnen bei uns in Europa für eine Tafel Schokolade zahlen. Das meiste Geld bleibt letztlich dort hängen, wo die großen Schokoladen-Produzenten ihren Hauptsitz haben: in Europa, den USA, oder auch in Asien. So liegt ihr durchschnittliches Tageseinkommen gerade einmal bei 0,78 US-Dollar. Zum Vergleich: Von absoluter oder extremer Armut spricht man nach Auskunft der Weltbank, bereits wenn jemand pro Tag weniger als 1,90 US-Dollar (etwa 1,94 Euro) zur Verfügung hat. Um ein menschenwürdiges Leben führen zu können, müsste sich das Einkommen einer Kakaobauernfamilie verdreifachen, aber davon sind wir weit entfernt. 

Die Folgen: Um zu überleben, sind die Bäuerinnen und Bauern dazu gezwungen, ihre Ausgaben zu reduzieren und ihre Erträge zu steigern. Da das Geld oftmals nicht für die Einstellung erwachsener Arbeitskräfte oder den Schulbesuch der eigenen Kinder ausreicht, wird in den meisten Fällen auf Kinderarbeit zurückgegriffen. Somit geht fast jedes zweite Kind aus einer Kakaobauernfamilie ausbeuterischer Kinderarbeit nach; die Dunkelziffer dürfte allerdings deutlich höher sein. Neben der Armut gibt es noch weitere Gründe für die Kinderarbeit im Kakaosektor. Dazu zählen beispielsweise eine schlechte Infrastruktur, mangelhafter Zugang zu Bildungseinrichtungen sowie ein fehlendes Problembewusstsein in der Gesellschaft. 

GROSSE VERSPRECHEN, NICHTS DAHINTER

Seit Jahrzehnten geloben die großen Schokoladenhersteller, wie beispielsweise Nestlé, Mondelez, Mars und Ferrero, Besserung. Wobei sich die Unternehmen wohl weitaus mehr um ihr Image als um das Leid der Menschen sorgen. Denn bereits vor 21 Jahren, im September 2001, wurde von ihnen das sogenannte Harkin-Engel-Protokoll unterzeichnet. Darin versprachen sie, bis 2005 die „schlimmsten Formen der Kinderarbeit“ im Kakaoanbau zu beenden. Diese Frist wurde jedoch nicht eingehalten und folglich von der Schokoladenindustrie um weitere drei Jahre verlängert. 2008 verpassten die Unternehmen erneut ihre Deadline und die Frist zur Beendigung der Kinderarbeit wurde um weitere zwei Jahre verschoben. 2010 wurde die endgültige Abschaffung der Kinderarbeit letztendlich revidiert und ein neues Ziel formuliert. Zuletzt strebte die Industrie eine Reduzierung der Kinderarbeit um 70 Prozent bis 2020 an. Doch auch dieses Versprechen wurde letztendlich gebrochen. Im Gegenteil: Nach wie vor profitieren die Unternehmen vom Verkauf billigen Kakaos, der von Kindersklaven geerntet wurde. So kam eine Studie des National Opinion Research Center (NORC) der Universität Chicago zum Ergebnis, dass zwischen den Jahren 2008/09 und 2018/19 die Verbreitungsrate von Kinderarbeit auf den Kakaoplantagen sogar von 31 auf 45 Prozent gestiegen ist. 

Auch wenn Nestlé und andere große Kakao- und Schokoladenunternehmen in den vergangenen Jahren rund 227 Millionen US-Dollar (rund 234 Millionen Euro) in die Bekämpfung von Kinderarbeit investiert haben, reicht das nicht aus. Denn dem eigentlichen Kern des Problems, nämlich viel zu niedrige Preise für Rohkakao, widmeten sich Nestlé und Co. nicht. Darüber hinaus können die Hersteller aufgrund der komplexen Lieferketten noch immer kaum nachvollziehen, woher ihr Kakao eigentlich stammt.

LÖSUNGSWEGE: FORDERUNGEN AN POLITIK UND SCHOKOLADENINDUSTRIE…

Die Kinderarbeit auf den Kakaoplantagen einfach nur zu verbieten ist keine weitreichende Lösung, denn dies bekämpft nur Symptome, aber nicht die Ursache des Problems. Um Kinderarbeit im Kakaosektor endlich Geschichte werden zu lassen, stellt INKOTA gemeinsam mit weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen folgende Forderungen: 

  • Die Schokoladenunternehmen müssen neue Strategien entwickeln, um den Kakaobauernfamilien existenzsichernde Einkommen zu ermöglichen. Dazu gehört die Zahlung höherer Kakaopreise, um die Armut der Kakaobauern zu beenden. 
  • Die Unternehmen sind außerdem aufgefordert, ihre Anstrengungen im Kampf gegen Kinderarbeit auf ihren Kakaoplantagen zu intensivieren und Korrektur- und Überwachungssysteme einzurichten.
  • Auch die Regierungen der Verbraucherländer sind gefragt, einen Beitrag zu leisten. Sie müssen die Schokoladenindustrie für illegale Kinderarbeit und moderne Sklaverei in ihren Lieferketten gesetzlich zur Verantwortung ziehen, denn auf freiwilliger Basis hat das bisher nur unzureichend funktioniert.

Ein Umdenken ist aber auch in unseren Köpfen notwendig, denn die Kakaobauern in Westafrika brauchen unsere Unterstützung, um gegen diese Missstände vorzugehen.

ABER WAS KANN ICH ALS KONSUMENT SCHON AUSRICHTEN?

  1. Keine Schokolade ist auch keine Lösung: Ein völliger Boykott von Kakao und Schokoladenprodukten wäre keine gute Lösung, denn unter einem Verkaufsstopp würden letztlich auch die Kakobauern und ihre Kinder leiden.
  2. Stattdessen informierte Konsumentscheidungen treffen: Die Initiative „Make Chocolate Fair“ empfiehlt hingegen zertifizierte Schokolade zu kaufen. Es gibt viele verschiedene Siegel, die einen ethisch korrekte Herstellung versprechen. Da allerdings Begriffe wie „fair“ und „nachhaltig“ noch keiner staatlichen Regulierung unterliegen, ist hier Vorsicht geboten. Beispielsweise muss faire Schokolade nicht zwingend Bio sein und auch der Preis sagt nichts darüber aus, ob bei der Herstellung Kinderarbeit im Spiel war oder nicht. Zu den bekanntesten Zertifikaten zählen zum Beispiel Fairtrade, UTZ und Rainforest Alliance. Hier findet ihr diese und weitere Nachhaltigkeitssiegel im Vergleich. 
  3. Aktiv werden: Zudem besteht immer die Möglichkeit selbst Kampagnen, Petitionen und andere Projekte, die sich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der Kakaoproduktion und fairen Handel einsetzten, zu unterstützen. 

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