Schönheit um jeden Preis – Ausbeutung im Nagelstudio 

Der beißende Duft von Nagellack und Desinfektionsmitteln liegt in der Luft,  leise Klänge entspannender Musik durchströmen den Raum und geschickte Hände zaubern kunstvolle Designs  auf Fingernägel – detaillierte Blumenmuster, Glitzer,  oder einfach nur eine einfarbige Maniküre. Nagelstudios sind Orte der Schönheit und Selbstpflege, die für viele Menschen als Oasen der Entspannung gelten. Doch hinter der glänzenden Fassade verbergen sich oft düstere Realitäten  –  denn die Arbeitsbedingungen passen meist nicht zum glamourösen Image.

Wenn Menschen das Wort “Ausbeutung” hören, denken viele zunächst an die sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Ausbeutung nicht nur auf dieses spezielle Szenario beschränkt ist. Denn als Ausbeutung versteht man laut § 104a Abs 3 Strafgesetzbuch sowohl sexuelle Ausbeutung, Ausbeutung durch Organentnahme, Ausbeutung der Arbeitskraft, Ausbeutung zur Bettelei oder Ausbeutung zur Begehung strafbarer Handlungen. 

Gemäß der österreichischen Judikatur gilt eine Ausbeutung der Arbeitskraft auf jeden Fall dann als gegeben, wenn dem Opfer für seine geleistete Arbeit oder Dienstleistung über einen längeren Zeitraum entweder keine oder lediglich unzureichende finanzielle Mittel gewährt werden. Ebenso wird von Ausbeutung gesprochen, wenn die erlaubte oder zumutbare Arbeitszeit gemäß den gesetzlichen Bestimmungen über einen längeren Zeitraum exzessiv ausgedehnt wird oder das Opfer unter unzumutbaren Arbeitsbedingungen zur Erbringung der geforderten Leistung gezwungen wird. Im Falle einer Beschäftigung in Österreich sind ausschließlich die österreichischen gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Standards maßgeblich. Es spielt keine Rolle, ob die Betroffenen den Arbeitsbedingungen zugestimmt haben oder diese als Ausbeutung empfinden. In anderen Worten: Das Opfer selbst muss sich nicht ausgebeutet fühlen, dass man von einer Arbeitsausbeutung sprechen kann. In Österreich sind Fälle von Arbeitsausbeutung insbesondere in Haushalten, Pflegediensten, der Gastronomie, im Bauwesen, in der Landwirtschaft und in der Sexarbeit bekannt. Doch diese Arbeitsausbeutung findet nicht – wie vielfach angenommen – im Verborgenen statt sondern erstreckt sich auch auf scheinbar unschuldige Orte, wie beispielsweise Nagelstudios. 

Es ist kaum verwunderlich, dass Nagelstudios mit billigen Preisen in den vergangenen Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen sind: Denn die Maniküre, welche einst lediglich für Frauen der gehobenen Gesellschaft bestimmt war, steht mittlerweile jedem zur Verfügung. Immer mehr Menschen, darunter auch Geschäftsmänner, Jugendliche, sowie junge Mütter, die sich eine Auszeit gönnen wollen, strömen in die Studios. Nicht nur in den Großstädten, sondern auch auf dem Land findet man sie heute an jeder Straßenecke. 

Dieser Boom bedeutet jedoch nicht zwingend etwas Gutes für die Angestellten: Im Ausland waren Billignagelstudios in den letzten Jahren vermehrt negativ in den Medien präsent, insbesondere in Ländern wie Großbritannien, Deutschland und der Schweiz. Dabei wird von Netzwerken berichtet, die systematisch Menschen aus dem asiatischen Raum, vor allem aus Vietnam, nach Europa bringen, um ihre Arbeitskraft auszubeuten. Auch in Österreich wurde in der Vergangenheit von einzelnen Fällen berichtet. 

Die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) Zürich hat 2022 eine Studie veröffentlicht, die sich auf die Ausbeutung von Betroffenen von Menschenhandel in der Schweiz fokussiert, insbesondere im Kontext von Nagelstudios und der damit verbundenen Arbeitsausbeutung. 

Die Recherche der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) Zürich zeigt, dass potenzielle Opfer unter Druck stehen. Meist handelt es sich hierbei um Menschen aus Vietnam und benachbarten Ländern, die aufgrund von Armut, Klimawandel und der Zerstörung der Lebensgrundlagen gezwungen werden, anderswo nach Existenzmöglichkeiten zu suchen. Die Migration nach Europa ist allerdings kostspielig und erfolgt  aufgrund der restriktiven Migrationspolitik der Schweiz nicht immer auf legalem Wege. Dies macht die Migranten anfällig für Ausbeutung durch Menschenhändler, die teure Dienstleistungen wie die Organisation von Aufenthaltspapieren und Arbeitsbewilligungen anbieten. Die so entstehenden Schulden setzen die Betroffenen unter Druck und machen sie erpressbar, was zu einer erhöhten Vulnerabilität führt.

Ein weiteres Problem stellt die Nagelbranche selbst dar, denn diese ist kaum reguliert, ohne Mindestlohn, keinen Gesamtarbeitsvertrag und niedrigen Einstiegshürden, sowohl für Arbeitnehmer:innen als auch Arbeitgeber:innen. Dementsprechend sind die Arbeitsbedingungen recht schlecht: geringe Löhne, lange Arbeitszeiten und mangelnder Gesundheitsschutz (Einsatz von Chemikalien, Feinstaub) sind häufig. Die Identifikation von Opfern von Arbeitsausbeutung gestaltet sich jedoch als herausfordernd. Nur wenige Opfer sind bereit, Aussagen zu machen, und einige von ihnen empfinden nicht einmal ein Gefühl der Ausbeutung, da sie dennoch mehr als in ihrer Heimat verdienen. Die Fachstelle FIZ berichtet, dass Betroffene oft von Ängsten geplagt sind. Sie fürchten Abschiebung, Gewalt oder Bedrohungen gegen ihre Familie in ihrem Herkunftsland. Noch schwieriger ist es, den Täterinnen und Tätern Menschenhandel nachzuweisen. Infolgedessen ist die Dunkelziffer entsprechend hoch.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Ausbeutung im Nagelstudio eine drängende Problematik darstellt. Die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) Zürich empfiehlt verschiedene Maßnahmen, um der Ausbeutung im Nagelstudio entgegenzuwirken:

  • In der Nagelbranche selbst muss ein verbesserter Arbeitnehmer:innenschutz angestrebt werden, einschließlich der Förderung von gewerkschaftlicher (Selbst-) Organisation. 
  • Bei behördlichen Kontrollen soll der Fokus auf Arbeitsbedingungen und Ausbeutung liegen, um eine Kriminalisierung potenzieller Opfer zu verhindern. Die Identifizierung von Betroffenen von Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung (MHzAA) soll verbessert und die Zusammenarbeit mit Opferschutzorganisationen frühzeitig gestärkt werden. Strafverfolgungs- und Arbeitsmarktbehörden sollen auf die Besonderheiten von MHzAA geschult werden.
  • Beim Opferschutz wird eine Stärkung der Opferrechte im Strafgesetz empfohlen. 
  • In Bezug auf Migrationsgesetze wird die Schaffung legaler Arbeits- und Migrationswege vorgeschlagen, um Abhängigkeiten, Ausbeutbarkeit und Vulnerabilität zu reduzieren. 
  • Fachstellen benötigen mehr Sensibilisierungs-, Vernetzungs- und Medienarbeit.

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