Prostitution 2.0

Das Geschäft mit dem Sex ging sehr früh online. Mittlerweile gibt es im Internet zahlreiche Möglichkeiten für alle, die damit Geld verdienen wollen oder müssen – und damit auch neuartige Bedrohungen. Prostitution 2.0 im Sinne einer neuen Version.

Internet fürs Volk

Schon in der Steinzeit des Internets, als Menschen begannen über Computernetzwerke miteinander zu kommunizieren, waren auch Sex und Erotik wichtige Inhalte. Den uns heute bekannten Foto-Upload gab es damals noch nicht, daher wurden die ersten pornographischen Bilder mittels Tastaturzeichen kreiert – der „ASCII-Porn“. Etwas später begann man in sogenannten „Newsgroups“ Fotos zu sammeln und zu verbreiten.
Als das Internet gegen Mitte der 90er der breiten Bevölkerung zugänglich wurde, leisteten u. a. zwei Frauen Pionierarbeit: Danni Ashe mit „Danni’s Hard Drive“, einer von ihr selbst programmierten und höchst erfolgreichen Pornoseite. Als erstes Camgirl gilt Jennifer Ringley, die 1996 die „JenniCAM“ bei sich zu Hause installierte. Darüber ließ sie ihr ganzes Leben, inklusive Nackt- und Sexszenen, auf die Bildschirme interessierter Zuseher übertragen. gingen auch Anzeigenportale wie Craigslist und das heutige eBay online, ideale Plattformen, um sexuelle Dienste anzubieten. 

Mit der rasanten Weiterentwicklung des Internets nahmen auch die Möglichkeiten für Prostituierte zu. Inzwischen gibt es zahllose Internetseiten, Plattformen, Foren und Apps: Sex per Klick, Prostituierte als Bestellware.

Das Internet wird sozial

Einer der großen Vorteile des Internets ist, dass man zahlenden Zuschauern sexuelle Wünsche aus der sicheren Ferne erfüllen kann. Es gibt zwar spezielle Studios, in die sich Camgirls einmieten können, bei entsprechender Technik – also einem Rechner mit Internetzugang und einer Webcam – kann man aber auch in der eigenen Wohnung online gehen. Da beim Camsex kein direkter Körperkontakt nötig ist, fühlen sich Frauen und auch neue Kunden dabei sicherer. Der Einstieg ist weit niedrigschwelliger als direkt übers Rotlichtmilieu. Frauen können sich recht einfach „ausprobieren“, allerdings hinterlässt man fast immer digitale Spuren. Allein bei der Nutzung kommerzieller Plattformen überträgt man meist die Rechte des Bildmaterials an die Betreiber.

Auch für die Kontaktanbahnung von Prostituierten bietet das Internet einige Vorteile. Anstelle des direkten Zusammentreffens in diversen Etablissements, auf dem Straßenstrich oder eines Telefonats haben Prostituierte nun die Möglichkeit, den Kunden zu recherchieren und sich untereinander zu vernetzen um (negative) Erfahrungen auszutauschen. Lehnt man den Kunden dann ab, geschieht auch das aus sicherer Entfernung, ohne sich möglicherweise in Gefahr zu bringen.

Auf verschiedenen Plattformen und Foren können Prostituierte ihr Profil mit Fotos und ihren Dienstleistungen anlegen. Auch über Einträge in den sozialen Medien, über eigene Websites oder, wie früher, mit Annoncen auf Anzeigenportalen können sie auf sich aufmerksam machen. Eine App lässt beispielsweise mögliche Freier nach dem Tinder-Prinzip auswählen – erst bei einem Ja sieht der Mann das Profil der Frau und entscheidet, ob es ein „Match“ wird.

Einige Freier hingegen tauschen sich in verschiedenen „Hurenforen“ aus, in denen meist ein obszöner und menschenverachtender Ton herrscht. Von diesen – anonym bleibenden – Usern werden zu den einzelnen Prostituierten Beiträge angelegt. Mittels Fotos, Kontaktdaten und (Künstler)Namen werden die Frauen erkennbar dargestellt. Dazu gibt es teils sehr detaillierte Beschreibungen des Verkehrs, Bewertungen der Willigkeit, der Orgasmus-Glaubwürdigkeit, des Aussehens, ist sie fetter als auf den Bildern? Stinkt sie? Schluckt sie? Eine Seite nennt sich gar „Stiftung Hurentest“. Auf einer anderen Plattform können Männer „Schon-gefickt-Alben“ führen, Huren-Sammelhefte. https://www.vice.com/de/article/kbvkqz/stiftung-hurentest-im-tripadvisor-der-deutschen-freier

Laut britischer Studie wird die Prostitution durch das Internet sicherer

In Großbritannien wurde von 2015 bis 2017 eine Studie mit über 600 Prostituierten, die das Internet zur Kontaktanbahnung nutzen, durchgeführt. Knapp 80% der Teilnehmerinnen gaben an, dass das Internet zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen geführt habe. Die Selbstbestimmung bei der Arbeit sei stark gestiegen, Gewalttaten hingegen gesunken – nur 5% berichteten von körperlichen oder sexuellen Übergriffen im vorangegangenen Jahr. 

Die Arbeit ohne Drittparteien, wie Zuhälter oder Zimmervermieter, ließe die Frauen selbstständiger arbeiten und ihnen bleibe mehr von ihrem Verdienst. Andererseits würde, im Notfall der Schutz und die Unterstützung durch andere Prostituierte fehlen.

Nicht jede Prostituierte hat allerdings die Möglichkeit, das Internet zu nutzen. Etwa Frauen aus der Armuts- oder Zwangsprostitution, manchmal scheitert es auch an den fehlenden Sprachkenntnissen oder am nicht vorhandenen Smartphone oder Internetzugang.

Das Internet birgt auch Risiken

Da aufgrund des Arbeitsverbots durch die Covid-Epidemie Bordelle, Laufhäuser und Clubs schließen mussten, sind viele Prostituierte für die Kontaktanbahnung auf das Internet ausgewichen. Kaum jemand konnte sich den Verdienstausfall leisten, einige konnten, bei passender Ausrüstung, zumindest als Camgirl weiterarbeiten.
Das Zeigen des Gesichts im World Wide Web bedeutet allerdings oft auch ein Ablegen der Anonymität, was neue Gefahren mit sich bringen kann. 

Denn die Kriminalität macht auch vor dem Internet nicht Halt, ganz im Gegenteil. Durch das Anonymitätsgefühl sinkt die Hemmschwelle. Camsex-Darbietungen können beispielsweise heimlich gefilmt werden, was die Frauen erpressbar macht. „Doxxing“ bezeichnet die Veröffentlichung personenbezogener Daten, indem beispielsweise ein Sexvideo an Familie oder Freunde geschickt wird. Die psychischen und sozialen Folgen können verheerend sein. Prostituierte können auch von Cybermobbing, dem Beschimpfen, Beleidigen und Erniedrigen, oder Cyberstalking, dem wiederholten Ausspionieren, Verfolgen und Terrorisieren des Opfers, betroffen sein. Geschädigte sollten nicht zögern und sich an die Polizei oder an eine Beratungsstelle wenden. 

Durch den technischen Fortschritt werden immer mehr unserer Aktivitäten auch virtuell ausgeführt. Künstliche Intelligenz, Augmented und Virtual Reality, das Metaversum – einiges davon ist schon Realität. Was das konkret für die Prostitution bedeutet, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall wird auch in der Zukunft Geschäft mit dem Sex gemacht werden, vielleicht sogar noch mehr als jetzt.

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