Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung in sozialen Netzwerken

Seit der Corona-Pandemie sind das Internet mitsamt den sozialen Medien ein noch unverzichtbarerer Teil unseres alltäglichen Lebens geworden – vor allem auch für Schülerinnen und Schüler. Doch im Internet lauern Gefahren, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind. Menschenhandel und sexuelle Ausbeute findet heutzutage zu einem hohen Prozentsatz über Social Media statt. Umso wichtiger ist es, dass man über die Strategien von Kriminellen im Netz informiert ist und vorsichtig ist, was man öffentlich von sich preisgibt.

FACEBOOK BEI MENSCHENHÄNDLERN AM BELIEBTESTEN

In den USA gilt Menschenhandel seit etwa 20 Jahren als ein Verbrechen. Seitdem hat sich die Art und Weise, wie die Täter vorgehen, stark verändert. Wie CBS News vor Kurzem berichtete, werden 30 Prozent aller Opfer von Menschenhandel im Internet „geangelt“, 69 Prozent in sozialen Netzwerken. Tatsächlich finden 59 Prozent des Online-Menschenhandels auf Facebook statt, am zweit-und dritthäufigsten auf Instagram und Snapchat. Die Opfer sind zu 53 Prozent Kinder und zu 44 Prozent Frauen. Sehr häufig werden die Opfer prostituiert, aber auch Haushaltshilfen werden über Facebook und Co. verkauft. Die sozialen Medien sind nicht nur ein Ort, an dem rekrutiert wird. Menschenhändler nutzen sie auch, um sich zu vernetzen. Es wird Kontakt zu Interessenten und potenziellen Käufern hergestellt und Deals werden direkt über die Plattformen abgewickelt.

DIE ANONYMITÄT DES WORLD WIDE WEBS

Der intensive Kontakt über Social Media macht es für Menschenhändler oft nicht mal mehr notwendig, sich persönlich mit ihren Opfern zu treffen. Ein Report aus dem Jahr 2018 zeigt, dass zu der Zeit nur mehr 58 Prozent der Opfer „ihren“ Menschenhändler persönlich kennenlernten, während bei 42 Prozent die Straftat ausschließlich über das Internet stattfand. Trifft man eine Person zum ersten Mal Angesicht zu Angesicht, nimmt man ihre Mimik und Gestik wahr und kann sie dadurch besser einschätzen. Oft schrillen bei einem persönlichen Kennenlernen die Alarmglocken und die Angeworbenen springen den Menschenhändlern ab. Wenn die Kommunikation allerdings ausschließlich über das Internet stattfindet, bleibt der große Unbekannte, der scheinbar so einfühlsam und verlässlich ist, zu schön, um wahr zu sein. Kurz gesagt: Soziale Medien helfen dabei, Hinweise zu verschleiern, die uns auf eine potenziell gefährliche Person aufmerksam machen. Ein weiterer Aspekt, den man nicht unterschätzen sollte: Auch bei den Tätern ist die Hemmschwelle geringer, wenn sie ihre Opfer lediglich virtuell kennenlernen.

WIE KÖDERN MENSCHENHÄNDLER AUF SOCIAL MEDIA?

Wie gehen Menschenhändler auf den sozialen Plattformen konkret vor? Oft nutzen sie die vorhandenen Schwachstellen der Opfer aus, suchen beispielsweise gezielt nach jungen Mädchen, die ihre sehr privaten Sorgen und Probleme posten. Das zeigt den Tätern, dass sie eher labil sind und wahrscheinlich von ihrem Umfeld wenig Halt bekommen. Allein die Tatsache, dass junge Mädchen ein öffentliches Profil haben dürfen, ist für Menschenhändler möglicherweise ein Hinweis darauf, dass die Eltern tendenziell wenig involviert sind. Eine Studie der University of Toledo liefert konkrete Beispiele, mit welchen Posts sich Kinder und Jugendliche auf Social Media angreifbar machen und wie die Täter mit ihnen in Kontakt treten. 

AUF DER SUCHE NACH SCHWACHSTELLEN

Man sollte grundsätzlich Aussagen vermeiden, die viel über das eigene Gefühlsleben preisgeben, wie zum Beispiel:

“Niemand versteht mich.“

“Ich bin es so leid, single zu sein.“

“Ich bin so hässlich.”

In den Posts wird nach Anzeichen auf ein instabiles Elternhaus oder psychische Probleme gesucht. Die Zielgruppe sind, wie schon oben erwähnt, zumeist Mädchen oder junge Frauen.

GESCHICKTES VORGEHEN UND LEERE VERSPRECHEN

Oft beginnt es mit scheinbar harmlosen Komplimenten und schmeichelnden Worten. Es wird hin-und hergeschrieben und Vertrauen aufgebaut. Bei der Loverboy-Methode, die wir zuvor schon in einem Artikel thematisierten, ist das Ziel, dass sich die Mädchen in den Menschenhändler verlieben. Letztendlich werden sie von ihrem vermeintlichen Traummann in die Irre geführt und zur Prostitution gezwungen. In anderen Fällen wird den Opfern ein lukrativer Job versprochen, und in Wirklichkeit handelt es sich um Prostitution.

Die strategische Antwort eines Täters könnte typischerweise so lauten:

“Ich verstehe dich.”

“Ich finde, du bist wunderschön. Du kannst deinen Körper ruhig mehr herzeigen.“

“Ich werde dein Leben besser machen.“

Oft findet auch nur der Erstkontakt auf Facebook statt, dann werden die Mädchen überredet, woanders zu schreiben. „Du willst doch nicht, dass deine Eltern lesen, worüber wir hier reden“ – durch geschickte Wortwahl und Manipulation werden die Opfer dazu gebracht, den Ort der Kommunikation zu einer wenigen überwachten Plattform zu verlagern. Diejenigen, die Kinder und Jugendliche für den Sexhandel rekrutieren möchten, bringen diese oft dazu, ein freizügiges Bild zu senden, speichern dieses und erpressen sie dann zu einem späteren Zeitpunkt damit. 

WIE GEHEN SOZIALE MEDIEN GEGEN MENSCHENHANDEL VOR?

Facebook äußerte sich gegenüber CBS, sie würden bereits sehr viel zum Schutz Minderjähriger tun. Beispielsweise würden sie unzulässige Inhalte sofort entfernen und mit Non-Profit-Organisationen, die sich gegen Menschenhandel einsetzen, zusammenarbeiten. Außerdem kämen moderne technologische Möglichkeiten zum Einsatz, um Verdächtiges automatisch herauszufiltern. Selbst wenn es stimmt, dass das amerikanische Unternehmen viel unternimmt, um Sicherheit zu gewährleisten – das Problem ist, dass die Täter die gängigen und bei Jungen beliebten Plattformen wie Facebook und Instagram zwar nutzen, um Kontakte zu knüpfen, später wird die Kommunikation aber auf anderen, weniger überwachten Kanälen fortgesetzt. Außerdem filtert die Sicherheits-Software Ausdrücke heraus, die explizit sind und auf ein Verbrechen hinweisen. Den Tätern ist das bewusst und sie vermeiden bestimmte Ausdrücke.  

WAS KÖNNEN WIR TUN?

Es ist wichtig, jungen Menschen zu vermitteln, wie gefährlich es sein kann, zu viel von seinem Privatleben in den sozialen Medien preiszugeben. Den Facebook Feed wie ein Tagebuch zu benutzen, mag sich gut anfühlen, man sucht nach Bestätigung, aufmunternden Worten oder Ratschlägen. Vielen ist nicht bewusst, dass sie sich mit sehr persönlichen Postings angreifbar machen. Celia Williams, Professorin für Sozialarbeit an der University of Toledo betont, wie wichtig es ist, Fachleute, Eltern und insbesondere Mädchen über die Vorgehensweisen von Menschenhändlern im Internet aufzuklären. Durch diese Aufklärungsarbeit könne man helfen, Kinder und Jugendliche davor zu bewahren, Opfer moderner Sklaverei zu werden. Sprechen wir also mit unseren jungen Töchtern und Söhnen, Schwestern und Brüdern, Nichten und Neffen, Cousinen und Cousins über diese Thematik. Die Verantwortung liegt aber auch bei der Politik, die dafür sorgen muss, dass in Schulen verpflichtend mehr Aufklärung rund um den sicheren Umgang mit dem Internet stattfindet!