In den Reben redet man nicht

„Prosit Neujahr!“ Bei feierlichen Anlässen wie Silvester gehört für viele der spritzige Schaumwein Champagner einfach dazu. Doch die Vorwürfe von Menschenhandel gegen die Champagner-Riesen werden immer lauter. Die ErntehelferInnen, die jede Rebe per Hand pflücken, werden aus dem Ausland geholt, in unzumutbare Behausungen gesteckt und ausgebeutet. Die meisten aber schweigen über ihre Situation – aus Angst, es könnte dann noch schlimmer kommen.

Davon, wie hart die Arbeit in den Weinbergen ist, zeugt der tragische Tod von insgesamt fünf Menschen im Jahr 2023. Sie sind während der Erntearbeiten verstorben. Die Welt des Champagners, dem Wasser der Schönen und Reichen, wird in den letzten Jahren vermehrt durch schwere Anschuldigungen erschüttert.

September ist Weinlese-Zeit und jährlich werden Menschen aus Drittstaaten nach Frankreich geholt, um in den Weinbergen zu arbeiten. Die von Menschenhändlern eingeschleppten ArbeiterInnen stammen aus Ostereuropa, Afrika und Afghanistan. Ihnen wird ein lukrativer Job versprochen, stattdessen müssen sie die feinen Trauben für 40 oder 50 Euro Tageslohn in der spätsommerlichen Hitze mindestens 9 Stunden ernten.

Sie hausen in „Zelten“, konstruiert aus Pappkartons, Decken und Plastikplanen oder – wenn sie es etwas besser erwischen – in Zimmern ohne ein ordentliches Bett, zusammengepfercht, mit nur einer Toilette für dutzende Menschen.

Damit aus einer Traube ein Champagner werden darf, muss sie per Hand gelesen werden, so ist es gesetzlich vorgeschrieben. Es werde immer schwieriger, Leute zu finden, die den Job machen wollen, erklärt ein Weinbauer in einer ARTE-Reportage. Viele der großen Marken entscheiden sich daher, Subunternehmer zu engagieren, die ihnen Personal zur Verfügung stellen.

Die großen Champagner-Marken verbuchten 2023 Rekordumsatz, dennoch wird natürlich gespart wo möglich. Natürlich gibt es Familienunternehmen, die Wert darauf legen, ihre Trauben selbst zu ernten oder direkt Leute anzustellen, welche sie fair entlohnen. Doch in jeder Branche gibt es schwarze Schafe, und in der Champagner-Region scheinen es viele zu sein. So mancher Großproduzent möchte offenbar nicht so genau wissen, wo seine Leiharbeiter herkommen, wie sie untergebracht sind und ob ihre Arbeitsbedingungen in Ordnung sind.

Menschenhändler nutzen den hohen Bedarf an Arbeitskräften und das mangelnde Interesse der Weinbauern schamlos aus. Sie locken Menschen aus wirtschaftlich schwachen Ländern mit falschen Versprechen in eine der reichsten Gegenden der Welt. Dort angekommen, bekommen diese dann nicht einmal einen ordentlichen Schlafplatz, genug Verpflegung, geschweige denn einen angemessenen Lohn.

Die Arbeit in den Weinreben ist körperlich zehrend, viele werden von Rückenschmerzen geplagt und nehmen täglich Tabletten ein, um den Tag durchzuhalten. Manche EinwanderInnen kommen auch freiwillig zur Erntezeit in die Region, in der Hoffnung, einen Job in den Weinbergen zu bekommen. Armut und Perspektivlosigkeit führen dazu, dass sie schäbige Angebote annehmen. Ein Mann erzählt, er hätte 400 Euro Lohn für 10 Tage erhalten. Ein Arbeitsvertrag wird selbstverständlich selten ausgehändigt.

Die Gewerkschaft CGT äußert bereits seit Jahren Kritik an der Ausbeutung ausländischer ErntehelferInnen. Ihre Mitglieder gehen regelmäßig in die Weinanbaugebiete und klären die Arbeitenden über ihre Rechte auf. Leider gibt es zwei Probleme, einerseits die mangelnden Sprachkenntnisse und andererseits wollen viele Erntehelfer sich gar nicht beschweren – aus Angst, ihre einzige Jobmöglichkeit zu zerstören. So sei es eben, „in den Reben redet man nicht“, sagt die Generalsekräterin Sabine Duménil.

Obwohl schon einige Unternehmen aufgrund von Menschenhandel und sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen verurteilt wurden, hat sich insgesamt wenig geändert. Es werden nämlich höchstens die Subfirmen zur Rechenschaft gezogen, im Gegensatz zu den Großproduzenten.

Der Skandal um die Erntehelfer passt nicht in die schillernde Welt der Champagne. Oft findet man Menschenhandel und Sklavenarbeit dort, wo man sie am wenigsten vermutet. Deshalb ist Aufklärung wichtig. Vielleicht tut es bei der nächsten Feierlichkeit auch ein Sekt aus Österreich!

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