Die dunkle Geschichte Wiens: Frauenhandel 

Wenn die meisten Menschen das Wort “Frauenhandel” hören, denken sie zunächst wohl an weit entfernte Länder wie beispielsweise Kambodscha, Laos, Thailand und Vietnam. Wie aber ist die Situation in Europa? Allein 2022 wurden in Österreich 56 Fälle von Menschenhandel sowie grenzüberschreitendem Prostitutionshandel angezeigt, wobei die Dunkelziffer durchaus höher sein dürfte. Doch obwohl der Frauenhandel in den vergangenen Jahren viel Aufmerksamkeit erregte, handelt es sich hierbei um kein neues Phänomen, denn schon im 19. und 20. Jahrhundert war Wien Dreh- und Angelpunkt des Frauenhandels, wie die neue Dokumentation „Universum History: Aufstand im Bordell – Frauenhandel um 1900“ von Regisseur Stefan Ludwig beleuchtet.

Der Handel mit der “Ware Frau” war schon immer ein gewinnbringendes Geschäft – auch im kaiserlichen Wien. Hiermit beschäftigte sich auch der neue “Universum-History”- Dokumentationsfilm, welcher durch die gemeinsame Arbeit von ORF, NDR-ARTE und Geyrhalter Film entstand. 

Die Dokumentation wirft einen einzigartigen Blick auf das Leben der Wiener Arbeitertochter Marie König. Im Frühjahr 1902 flieht die damals 16-Jährige vor ihrem gewalttätigen Vater. Auf der Praterstraße wird sie kurz darauf von einer sogenannten “Kupplerin” angesprochen, die sie gegen Bezahlung in das Bordell von Regine Riehl bringt. Doch statt des versprochenen besseren Lebens erfährt Marie in diesem Bordell Missbrauch und Sklaverei: die Fenster sind vergittert, ihr wird die Straßenkleidung abgenommen, sie wird eingesperrt, erhält kein Geld und wird psychisch sowie körperlich misshandelt. Lediglich zwei Stunden pro Woche darf sie im Hof spazieren gehen. Ihr Vater, von dem sie eigentlich flüchten wollte, erhält von Riehl regelmäßige Zahlungen. Drei Jahre später offenbart Marie dem Journalisten Emil Bader die Zustände im “Salon Riehl”, woraufhin Bader die Bordellbetreiberin vor Gericht bringt. Der daraufhin entstehende Riehl-Prozess schockiert die Wiener Gesellschaft: Ein Bordell in Buenos Aires oder Brasilien, wohin viele der Mädchen gebracht wurden, konnte man sich noch vorstellen. Doch mitten in einem angesehenen Wiener Bezirk? Das schien für viele einfach unvorstellbar zu sein.

Doch leider ist und blieb die Geschichte der jungen Wienerin kein Einzelfall. Der Historiker Lothar Hölbling von der Universität Wien hat Polizeiakten aus den Jahren 1880 bis 1900 zum Thema Mädchenhandel analysiert und betont, dass dieses Verbrechen wahrscheinlich “das erste organisierte Verbrechen nach modernen Maßstäben” war. 

Zudem geht aus den Dokumenten hervor, dass Wien als zentraler Knotenpunkt für den Frauenhandels zwischen Österreich-Ungarn und Südamerika diente. Die wichtigsten Rekrutierungsgebiete für die Menschenhändler waren Russland und die am stärksten benachteiligten Regionen der Habsburgermonarchie im Osten, wie zum Beispiel Galizien und die Bukowina. In diesen Gebieten waren viele der gehandelten Mädchen jüdisch, da sie aufgrund von Pogromen und diskriminierenden Gesetzen im zaristischen Russland ins Exil gedrängt wurden.

Die damaligen Methoden der Anwerbung waren ähnlich wie heute: Händler lockten Mädchen mit falschen Versprechungen und brachten sie dann in Bordelle auf der ganzen Welt. Zu Beginn wurden den Frauen die Dokumente sowie ihre persönliche Kleidung und Wertgegenstände abgenommen, und sie wurden darüber informiert, dass sie die Kosten für die Reise durch Arbeit in den Bordellen abbezahlen müssten. Später kamen Kosten für Unterkunft und Essen hinzu, bis die Frauen innerhalb kürzester Zeit in die vollständige Abhängigkeit getrieben wurden. 

Doch auch schon im 19. Jahrhundert erhielt der Kampf gegen den Mädchenhandel internationale Aufmerksamkeit, was zur Unterzeichnung bilateraler Verträge führte und 1910 in einem ersten internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung dieses Übels gipfelte. Nach dem Ersten Weltkrieg widmete sich auch der Völkerbund intensiv dieser Herausforderung. In Österreich wurden um 1919 Maßnahmen wie die Einrichtung einer Zentralstelle zur Überwachung des Mädchenhandels durch die Polizei und die Beteiligung verschiedener Organisationen ergriffen, um dem Mädchenhandel entgegenzuwirken.

Zwar hat sich die Sklaverei über die Jahre hinweg verändert, aber im Allgemeinen bleibt Wien ein Ziel für Menschenhändler und dies hat mehrere Gründe. Zum einen liegt Wien im Herzen Europas und ist daher ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Die günstige Lage macht es für kriminelle Organisationen attraktiv, Menschen aus anderen Ländern nach Wien zu bringen und von dort aus in andere Teile Europas zu transportieren.

Zudem ist Wien eine wohlhabende Stadt mit einem florierenden Wirtschaftsleben. Dies lockt vor allem Menschen aus ärmeren Regionen an, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben hierherkommen. Leider werden einige von ihnen Opfer von Menschenhändlern, die nach wie vor Täuschungen und Halbwahrheiten verwenden um ihre Notlage ausnutzen. 

Auch ist Wien eine der beliebtesten Touristenstädte Europas und zieht jedes Jahr Millionen von Besuchern an. Der hohe Zustrom von Touristen bietet Menschenhändlern die Möglichkeit, ihre Opfer in der Masse der Besucher zu verstecken und auszubeuten.

Die Betroffenen werden nach wie vor in verschiedenen Bereichen ausgebeutet, darunter als Arbeitskräfte in Bereichen wie Hausarbeit, Bauwesen, Gastronomie, Reinigung, in der Landwirtschaft, beim organisierten Betteln sowie bei der Begehung von Straftaten und Kinderhandel. Dabei werden unlautere Mittel wie Gewaltandrohungen, Vergewaltigung, Täuschung und Irreführung eingesetzt, um Menschen zur Zwangsarbeit zu zwingen. Der größte Teil des Menschenhandels und der Sklaverei betrifft die sexuelle Ausbeutung, hauptsächlich von Frauen und Mädchen, aber auch von Jungen und jungen Männern. Zwangsprostitution macht den größten Anteil der modernen Sklaverei aus.

Falls Sie Informationen betreffend Menschenhandel haben, können Sie sich jederzeit an die Menschenhandels-Hotline des Bundeskriminalamts wenden. Diese Hotline ist rund um die Uhr erreichbar:

Telefon: +43-677-61343434
E-Mail: menschenhandel@bmi.gv.at
E-Mail: humantrafficking@bmi.gv.at

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