Der Britische Modern Slavery Act: Ein Blick hinter die Kulissen

Ohne es zu merken, profitieren wir im Alltag von der Ausbeutung anderer. Dabei ist moderne Sklaverei keine ferne Realität: Auch im Vereinigten Königreich leben Zehntausende Menschen in ausbeuterischen Verhältnissen – trotz gesetzlicher Maßnahmen wie dem Modern Slavery Act. Doch warum gelingt es nicht, diese Menschen wirksam zu schützen?

Moderne Sklaverei ist ein Sammelbegriff für die rechtswidrige Ausbeutung von Menschen in unterschiedlichen Formen. Ein zentrales Merkmal ist die gewaltsame Kontrolle einer Person über eine andere zum Zweck der wirtschaftlichen Ausbeutung. Die betroffene Person kann sich aufgrund von Drohungen, Gewalt, Zwang, Irreführung oder Machtmissbrauch meist nicht selbst befreien. Gemeinsam ist allen Formen der modernen Sklaverei, dass den Betroffenen grundlegende Freiheiten entzogen werden, wie die Freiheit, Arbeit anzunehmen oder abzulehnen oder selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen. Diese Ausbeutung findet zu großen Teilen im Verborgenen statt.

  • Schuldknechtschaft und Zwangsarbeit: Personen verpflichten sich zur Arbeit, um Schulden abzuarbeiten, wobei die Rückzahlung häufig durch unfaire Bedingungen erheblich erschwert wird. Dies ist die am weitesten verbreitete Form von moderner Sklaverei.
  • Menschenhandel und Zwangsprostitution: Menschen werden durch Gewalt, Zwang oder Irreführung gegen ihren Willen zum Zweck der Ausbeutung an andere Orte gebracht. Besonders Frauen und Mädchen sind häufig von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung betroffen, bedingt durch Machtungleichgewichte und geschlechtsspezifische Diskriminierung.
  • Zwangsheirat:  Hochzeiten werden unter Zwang arrangiert, häufig um wirtschaftliche Belastungen zu verringern oder Schulden zu begleichen. In Kriegsgebieten werden Mädchen entführt und unter Zwang an Kämpfer verheiratet, um Macht zu demonstrieren. Minderjährige sind hiervon besonders gefährdet .
  • Erbliche Sklaverei: Der Status als versklavte Person wird über die müttleriche Linie von einer Generation an die nächste weitergegeben.
  • Kindersklaverei: Umfasst Kinderhandel, Kindersoldaten, Kinderheirat und häusliche Kindersklaverei. Etwa ein Viertel aller versklavten Menschen sind Kinder.
  • Häusliche Knechtschaft: Haushaltshilfen werden ausgebeutet, beispielsweise durch Einbehaltung von Ausweisdokumenten und Vorenthalten des vereinbarten Lohns.

Das Vereinigte Königreich gehört im globalen Vergleich zu den Ländern mit einem hohen Wohlstand und damit mehr Ressourcen im Kampf gegen moderne Sklaverei. Dennoch lebten laut dem Global Slavery Index 2023 im Jahr 2021 schätzungsweise 122.000 Menschen im Vereinigten Königreich in moderner Sklaverei. Das entspricht einer Prävalenz von 1,8 Menschen pro Tausend Einwohner*innen.

Obwohl das UK zu den Ländern mit der niedrigsten Prävalenz zählt und als Vorreiter bei der Bekämpfung gilt, insbesondere durch den Modern Slavery Act (MSA) von 2015, der als weltweit breiteste staatliche Reaktion auf moderne Sklaverei gilt, bleibt das Problem bestehen. Die Änderungen der britischen Einwanderungspolitik nach dem Brexit bergen sogar die Gefahr, die Diskriminierung schutzbedürftiger Menschen zu fördern und damit das Potenzial für moderne Sklaverei zu erhöhen.

Der Modern Slavery Act (MSA) von 2015 ist das erste nationale Gesetz, das den Begriff der modernen Sklaverei explizit aufgreift. Sein Ziel ist es, moderne Sklaverei im Vereinigten Königreich einzudämmen. Es fasst verschiedene Straftatbestände wie Menschenhandel, Zwangsarbeit und moderne Sklaverei zusammen und enthält Bestimmungen zum Schutz von Betroffenen sowie zur Schaffung eines unabhängigen Anti-Sklaverei-Beauftragten.

Besonders relevant für Transparenz und Prävention ist Abschnitt 54: Transparenz in Lieferketten. Dieser Abschnitt verpflichtet Unternehmen, die im UK tätig sind und einen bestimmten Umsatz übersteigen, jährlich öffentlich darzulegen, welche Maßnahmen sie ergreifen, um moderne Sklaverei in ihren Lieferketten und im eigenen Betrieb zu verhindern. Dieses Konzept basiert auf dem Modell des California Transparency in Supply Chains Act.

Analysen,die auf auf Berichten von NGOs und menschenrechtsfokussierten Organisationen basieren, haben gezeigt, dass der MSA erhebliche Lücken aufweist, die seine Wirksamkeit stark beeinflussen.

Die kritischen Bewertungen aus diesen Berichten geben tiefe Einblicke in die Herausforderungen bei der Umsetzung.

Identifizierte Schwächen des Gesetzes sind:

  1. Mangelnde Transparenz und fehlender öffentlicher Druck bei Lieferketten (Abschnitt 54):
    • Viele Unternehmen erfüllen die Berichterstattungspflichten nur unvollständig oder unregelmäßig.
    • Es gibt keine öffentliche Liste der vom Gesetz betroffenen Unternehmen. Dies macht es NGOs, zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Öffentlichkeit nahezu unmöglich zu erkennen, welche Unternehmen berichtspflichtig sind und ob sie ihren Pflichten nachkommen. Folglich fehlt der potenzielle öffentliche Druck auf nicht-konforme Unternehmen.
    • Die Qualität der Berichte variiert stark. Häufig sind sie wenig aussagekräftig und tragen kaum zur Aufklärung oder Prävention bei.
    • Der MSA stellt keine konkreten Mindestanforderungen an die Inhalte der Berichte, sodass diese formell, aber ohne substantiellen Wert erstellt werden können.
    • Es fehlt an wirksamen Kontrollmechanismen und Sanktionen bei Verstößen.
  2. Unzureichende Unterstützung und Schutz für Opfer (Abschnitt 5):
    • Der Zugang zu Entschädigungsleistungen ist mit erheblichen Hürden verbunden.
    • Finanzielle Hilfen für Betroffene wurden reduziert (von £65 auf £37,75 pro Woche), was das Risiko erneuter Ausbeutung erhöht.
    • Die bestehenden Unterstützungsprogramme sind oft unzureichend ausgestattet und berücksichtigen geschlechtsspezifische Besonderheiten nur unzureichend.
    • Der Zugang zu Wohnraum und einer langfristigen Existenzsicherung ist für Betroffene stark eingeschränkt.
    • Die Unterstützung endet häufig zu früh, bevor eine nachhaltige Stabilisierung erreicht werden kann. Viele Betroffene erhalten zu früh keine Unterstützung mehr und werden wieder anfällig für Ausbeutung.
    • Fehlendes Wissen über moderne Sklaverei beeinflusst die Opferunterstützung negativ. Die Identifizierung von Opfern erfordert Vertrauen und Unterstützung; Maßnahmen wie die Immigrationskontrolle zerstören Vertrauen und sind nicht opferzentriert.
  3. Finanzielle Ressourcen und behördliche Kapazitäten:
    • Das Vereinigte Königreich verfügt über eine der am schlechtesten ausgestatteten Arbeitsaufsichtsbehörden in Europa. Eine unterfinanzierte Arbeitsaufsicht kann Arbeitsrechtsverstöße nicht effektiv verfolgen und begünstigt die Ausbeutung von Menschen. Investitionen in proaktive und effektive Arbeitsaufsicht sind notwendig, um die Bekämpfung von moderner Sklaverei zu unterstützen.
  4. Wechselwirkungen mit anderen Gesetzen und kontraproduktive Maßnahmen:
    • Bestimmungen wie das Delikt der „illegalen Arbeit“ aus dem Immigration Act 2016 erschweren die Identifizierung und Unterstützung von Opfern.
    • Politiken wie die sogenannte „hostile environment“ Politik fördern die Angst vor Behörden und erschweren es Betroffenen, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
    • Solche Maßnahmen erhöhen die Anfälligkeit für Ausbeutung und untergraben zentrale Ziele des Modern Slavery Act.
    • Einige Arbeitgeber und Vermieter weigern sich, mit ausländischen Staatsangehörigen zu interagieren, aus Angst vor strafrechtlichen Sanktionen, was die Unsicherheit unter Wanderarbeitnehmern erhöht und sie anfälliger macht.

Der UK Modern Slavery Act stellt einen wichtigen gesetzlichen Rahmen im Kampf gegen moderne Sklaverei dar. Dennoch zeigen die analysierten Berichte, dass erhebliche Lücken zwischen gesetzlicher Intention und tatsächlicher Wirkung bestehen. Dazu gehören fehlender öffentlicher Druck, fehlende Kontrolle und konkrete Anforderungen, mangelhafte Gesetzeseinhaltung, Armut, fehlende finanzielle Ressourcen, unzureichende und kurzfristige Unterstützung, kontraproduktive Gesetze, fehlendes Wissen und mangelndes Vertrauen bei der Opferidentifizierung.

Für die in den untersuchten Berichten hauptsächlich behandelten Abschnitte – insbesondere Präventionsanordnungen, Schutz der Opfer und Transparenz in Lieferketten – scheint diese Lücke so groß, dass diese Teile des Gesetzes in ihrer beabsichtigten Wirkung stark eingeschränkt sind und teilweise als unzureichend oder sogar sinnlos erscheinen.

Nur durch die konsequente Schließung dieser Lücken kann der Schutz von Betroffenen verbessert und die Bekämpfung moderner Sklaverei im Vereinigten Königreich nachhaltig gestärkt werden.

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