Volkswagen: Deutscher Autobau unter Zwangsarbeitsvorwürfen

Seit Jahren wird Volkswagen wegen Menschenrechtsverletzungen in seinen Werken in der Uiguren-Provinz Xinjiang kritisiert. Den Unwissenden zu spielen ist längst nicht mehr glaubwürdig – der Druck steigt, das Image sinkt.

2019 hat Volkswagen zusammen mit dem chinesischen Fahrzeughersteller SAIC eine Teststrecke in Betrieb genommen, um Fahrzeuge unter Extremtemperaturen zu testen. Die Strecke befindet sich in Turpan, einer Stadt in der Provinz Xinjiang, auch „Westchina“ genannt. In der umstrittenen Uigurenregion zwingt die Regierung Angehörige des muslimischen Turkvolks zur „Terrorbekämpfung“ in Arbeits- und Umerziehungslager. Wie das Handelsblatt in Kooperation mit dem Kommunismus-Forscher Adrian Zenz aufdeckte, wurden auch beim Bau der VW-Teststrecke uigurische Zwangsarbeiter eingesetzt. 

Zenz, ein auf Menschenrechtsverletzungen in China spezialisierter Wissenschaftler, ist auf Arbeits- und Internierungslager in Xinjiang spezialisiert. Nachdem VW-Mitarbeiter ihm berichtet hatten, dass die Teststrecke unter Einsatz von Zwangsarbeitern gebaut worden sei, gelang es Zenz, dafür Beweise zu finden.

„Zudem haben Mitarbeiter der Organisationen, die an dem Bau der Teststrecke beteiligt waren, aktiv an Maßnahmen zur Kontrolle und Unterdrückung der Uiguren teilgenommen“, so Zenz.

Auch wegen seines Produktionswerks in Ürümqi wird der größte Autohersteller Deutschlands schon länger kritisiert – aufgrund mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen. Das Werk wurde 2013 eröffnet, mittlerweile sollen dort nur mehr Qualitätschecks fertiger Fahrzeuge stattfinden.

Der VW-Konzern habe darüber keine Informationen. Er „orientiere sich an den Leitlinien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte, wonach Zwangsarbeit ausgeschlossen sei.“

Die Teststrecke wurde von der China Railway Fourth Bureau Group gebaut, einem staatlichen Unternehmen. Laut dessen Internetauftritt wurden beim Bau der Strecke Arbeiter aus „Armutsbekämpfungsprogrammen“ eingesetzt. Auch auf den Abbildungen tragen uigurische Arbeiter Militäruniformen, die für Zwangsarbeiterprogramme typisch sind.

Laut eines Reports von 2017 habe sich beim Bau der Strecke ein nicht näher benannter Vorfall ereignet, nach welchem die „Stärkung des ideologischen Bewusstseins“ erhöht und die Kontrolle der Arbeiter verstärkt worden war – diese mussten Irisscans und weitere biometrische Daten an die Polizei abgeben.

China dementiert sämtliche Vorwürfe, man versuche mittels dieser „Lüge“ die florierende Uiguren-Region zu destabilisieren.

„VW habe bislang keine Informationen über Menschenrechtsverletzungen bei dem Projekt, ließ der Konzern wissen. Neuen Erkenntnissen würde das Unternehmen aber nachgehen und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen.“

Allerdings haben Anlagegesellschaften bereits Monate vor dem Bekanntwerden der neuesten Vorwürfe ihre Investitionen in Anleihen beendet, und nach den aktuellen Schlagzeilen haben auch zwei große Fondsgesellschaften Volkswagen aus ihren Nachhaltigkeitsfonds ausgeschlossen.  

BASF, ebenfalls in der Provinz Xinjiang tätig, hat nach Bekanntwerden von Verstößen gegen Menschenrechte durch Joint Venture-Partner ihre Geschäftsanteile verkauft. Von VW – somit das einzige dort tätige DAX-Unternehmen – wird dasselbe erwartet.
Der Konzern mag weder auf die Teststrecke noch auf die Produktionsstätte angewiesen sein, allerdings ist China als größter Einzelmarkt für Volkswagen ein wichtiger Standort. Im Osten des Landes fertigt VW mit SAIC und weiteren lokalen Partnern jährlich Millionen Fahrzeuge, zuletzt wurden in China 3,24 Millionen Lkw und Pkw ausgeliefert. Volkswagen verkauft jedes dritte Auto in China. 

Auf Investorendruck hat Volkswagen die Anschuldigungen durch den Berliner Dienstleister Löning untersuchen lassen. Die Teststrecke wurde dabei ausgelassen, da „die Einrichtungen unterschiedlichen Betreibergesellschaften gehören würden“.
Im Produktionswerk in Ürümqi konnten keine Anzeichen für Menschenrechtsverletzungen ermittelt werden. Das Problem dabei: Die Befragung der Mitarbeiter wurde von chinesischen Juristen durchgeführt. Hätten sie offen von etwaigen Missständen berichtet, hätten sie sich in Gefahr gebracht. 

Angestellte und eine Führungskraft von VW kritisierten das Audit gegenüber dem Handelsblatt, selbst ein Großteil der Löning-Angestellten distanzierte sich von dem Ergebnis, das Volkswagen hingegen ein besseres Rating an der Börse bescherte.

Schon lange werden Maßnahmen von VW gefordert, auch von deutschen Politikern wie Gyde Jensen, der stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Bundestag. Im Gespräch mit dem Handelsblatt meint sie: „Die Region steht mittlerweile zweifelsfrei für die Unterdrückung der Uiguren – das muss mittlerweile auch jedem deutschen Unternehmen vor Ort und hier in Deutschland bewusst sein. Es sei „naiv“ zu glauben, man könne die Verhältnisse vor Ort ansatzweise kontrollieren und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen ausschließen.“

Die USA hat ein Gesetz gegen Zwangsarbeit erlassen, welches die Einfuhr derartiger Waren verbietet. Im Februar dieses Jahres saßen deswegen ca. 13.000 Fahrzeuge von Volkswagen, darunter Porsche, Bentley und Audi, fest. https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/porsche-bentley-audi-rund-13000-autos-von-vw-stecken-in-us-haefen-fest/100015091.html
Grund sei ein elektronischer Bauteil eines Steuergerätes, der laut eines Berichts der Financial Times https://www.ft.com/content/ab63cc9b-1c57-43d0-89c2-8f63e5c06eba in Xinjiang gefertigt wurde. Der Zulieferer informierte Volkswagen, Volkswagen wiederum die US-Behörden. Zum Hersteller wurden keine Angaben gemacht. Erst nach Austausch dieser Bauteile durften die Fahrzeuge ausgeliefert werden, was VW sofort veranlasst hatte.
Diese Schlagzeilen haben das Image von Volkswagen weiter beschädigt – aber auch mehr Aufmerksamkeit auf die Zwangsarbeiter von Xingjiang gelenkt. 

Ein anonymer Hacker hat Zenz interne Daten der chinesischen Polizei zugespielt, die „Xinjiang Police Files“. Die Daten enthalten Geheimdokumente, Transkripte von Reden hoher Parteifunktionäre und Fotos vom Inneren der Zwangslager sowie von Internierten.

Laut China seien die Lager freiwillige Weiterbildungseinrichtungen – die Aufnahmen von bewaffneten Sicherheitskräften, Menschen in Ketten oder im Folterstuhl dürften diese Aussagen inzwischen sehr unglaubwürdig erscheinen lassen. Für Zenz stellen die Daten eine „neue Dimension“ dar.

Aber Volkswagen lässt seine zukünftige Richtung weiter offen: „Derzeit werden verschiedene Szenarien intensiv geprüft.“

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