Wie Öl ins Feuer: Corona-Pandemie & häusliche Gewalt

Am 11. März 2020 erklärt die WHO COVID-19 zur Pandemie, einen Tag später gibt es den ersten Todesfall in Österreich. Am 16. März beschließt die Bundesregierung den ersten Lockdown: Man will Menschenleben schützen. Aber man gefährdet dabei jene, die zu Hause nicht sicher sind. Ein Bericht über vermehrte häusliche Gewalt durch Corona und Hilfe für Betroffene.

PANDEMIE ESKALIERTE GEWALT GEGEN FRAUEN

Schon vor Corona war laut Angaben der WHO jede dritte Frau weltweit von Gewalt durch ihren Partner betroffen. Im Zuge der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Ausgangsbeschränkungen hat sich die Lage 2020 dramatisch verschlimmert: Die bei der WHO eingelangten Berichte aus den USA, China, Großbritannien und Deutschland zeigen einen Anstieg der gemeldeten Fälle häuslicher Gewalt zwischen 10 und 50 Prozent.Für unsere deutschen Nachbarn ist diese Entwicklung mit konkreten Zahlen belegt: Laut einer Studie der technischen Universität München (TUM) aus Juni 2020 wurden rund 6 Prozent der deutschen Frauen während des ersten „harten“ Lockdowns Opfer körperlicher und/oder sexualisierter Gewalt. Gewalt gegen Kinder hat es laut der Studie in 6,5 Prozent der deutschen Haushalte gegeben.

ANSTIEG HÄUSLICHER GEWALT IN ÖSTERREICH

Das Bundesministerium für Inneres hat im September 2020 eine ähnliche Analyse veröffentlich. Es handelt sich um eine repräsentative Umfrage zur Wahrnehmung häuslicher Gewalt während des Corona-Lockdowns in der Bevölkerung.

Das Ergebnis: Auch in Österreich haben die Fälle häuslicher Gewalt durch Corona zugenommen. In Städten ab 50.000 Einwohnern sind die Fälle häuslicher Gewalt mit Polizeieinsatz während des ersten Lockdowns um 26 Prozent angestiegen, in kleineren Städten und Landgemeinden um 9 Prozent. Darüber hinaus berichtete mehr als ein Drittel der Befragten von einer generellen Zunahme der innerhäuslichen Spannungen seit Beginn der Pandemie.

DIE PANDEMIE ALS BRANDBESCHLEUNIGER

Viele Studien zum Thema häusliche Gewalt durch Corona kommen zu einem ähnlichen Ergebnis: Die verschärften Bedingungen um Ausgangsbeschränkungen und Kontaktsperren sind selten der Grund für körperliche Übergriffe – aber sie sind ein Katalysator. In den meisten Haushalten, in denen es zu gemeldeten Vorfällen gekommen ist, hat es schon vor der Pandemie häusliche Gewalt gegen Frauen und/oder Kinder gegeben.

Dabei muss die Gewalt sich nicht zwingend körperlich äußern: Laut Studie der TUM gaben knapp 5 Prozent der befragten Frauen an, ihr Partner habe während der Corona-Pandemie sowohl ihre physischen als auch ihre digitalen Kontakte kontrolliert. 2,2 Prozent gaben sogar an, sie hätten ihr Zuhause nicht ohne Erlaubnis des Partners verlassen dürfen.

FINANZIELLE SORGEN STEIGERN GEWALTBEREITSCHAFT

Die Schließung von Schulen und Kindergärten im Zuge der Corona-Pandemie hat in vielen Haushalten ein Betreuungsvakuum hinterlassen. Gleichzeitig mussten ältere und/oder vorerkrankte Angehörige wochenlang in ihren Wohnungen versorgt werden. In vielen Familien haben die Frauen und Mütter einen Großteil dieser Mehrarbeit übernommen. Um dies leisten zu können, haben viele von ihnen Stunden reduziert oder ihren Beruf sogar ganz aufgegeben.

Kombiniert mit Kurzarbeit und dem „Einbruch“ kompletter Branchen wie Gastronomie und Tourismus hat sich vielerorts finanzieller Druck aufgebaut, der laut Studie der TUM ebenfalls in gesteigerter Gewaltbereitschaft resultierte.

Frauen aus Familien mit finanziellen Sorgen berichteten laut der Studie deutlich häufiger von körperlichen Übergriffen als Frauen aus finanziell stabilen Haushalten.

KEINE ENTWARNUNG NACH CORONA

Häusliche Gewalt hat es schon vor der Pandemie gegeben. Dass weltweit die Beschränkungen fallen und sich das Leben vielerorts wieder (fast) normal anfühlt, ändert nichts an der Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen und Kinder ein massives gesellschaftliches Problem und allgegenwärtig ist – gerade WEIL es meistens hinter verschlossenen Türen passiert.

Die steigende Gewaltbereitschaft während Corona hat gezeigt, dass es häufig nur einen Funken braucht, um Gewaltpotenzial zu entfachen.

Während der Pandemie waren dieser „Funken“ Druck von außen, Überforderung und die Einschränkung der sozialen Kontakte. In den nächsten Wochen und Monaten werden es finanzielle Sorgen und die sehr reelle Gefahr sein, in den Wintermonaten nicht genügend Geld zum Heizen zu haben. Umso wichtiger ist es, dass Betroffene wissen, wo sie Hilfe finden.

HILFE FÜR BETROFFENE

Auf der Website der Autonomen Frauenhäuser Österreichs findest du unter der Rubrik Ich brauche Hilfe eine Übersicht der wichtigsten Anlaufstellen, darunter

  • die Frauen-Helpline gegen Gewalt: https://www.frauenhelpline.at/
  • die Adressen sämtlicher Frauenhäuser im Land: https://www.aoef.at/index.php/frauenhaeuser
  • sämtliche Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen in Österreich: https://www.aoef.at/index.php/gewaltschutzzentren
  • eine Auflistung aller kostenloser Beratungsstellen: https://www.aoef.at/index.php/beratungsstellen
  • der HelpChat für kostenlose und anonyme Beratung: https://www.haltdergewalt.at/

Du möchtest helfen? Angesichts der steigenden Energiepreise und der wachsenden finanziellen Not vieler Familien hat die Caritas die Aktion „Ein Funken Wärme“ ins Leben gerufen. Auf der Website kannst du einen Betrag deiner Wahl spenden, der in den kommenden Wochen und Monaten dabei helfen wird, den finanziellen Druck in betroffenen Familien zu lindern.

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