Cyber-Grooming: Wenn das Internet zur Bedrohung wird

Das Internet ist aus unserem Leben kaum wegzudenken. Besonders für viele Kinder und Jugendliche ist es zu einem fixen Bestandteil des Alltags geworden: Sei es zum Erledigen von Hausaufgaben, zum Spielen von Online-Games oder auch einfach zum Chatten mit ihren Freunden – das World Wide Web bietet unzählige Möglichkeiten. Insbesondere die Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen, kann für junge Nutzer attraktiv sein. Allerdings birgt die digitale Welt auch zahlreiche Risiken für die Minderjährigen. Besonders Fälle von Cyber-Grooming und sexualisierter Gewalt nehmen stetig zu. 

Aber was ist „Cyber-Grooming“ überhaupt?

Wenn Erwachsene das Internet nutzen, um gezielt Kontakt zu Minderjährigen herzustellen, mit der Absicht sie sexuell auszubeuten oder zu missbrauchen, spricht man vom sogenannten „Cyber-Grooming“. Hierbei nutzen die Täter gezielt Social-Media-Plattformen, Chatrooms und Online-Spiele, um eine Beziehung zu den Minderjährigen aufzubauen und mit viel Geduld und Raffinesse deren Vertrauen zu gewinnen. Damit dies gelingt, schrecken die Täter auch nicht davor zurück, sich als Gleichaltrige oder vertrauenswürdige Erwachsene auszugeben. Nicht selten verhalten sich die Täter über Wochen und Monate hinweg unauffällig. So binden sie die Betroffenen nach und nach emotional an sich, bevor das Gespräch in die sexuelle Richtung abdriftet. Ist das Vertrauen erstmal aufgebaut, locken sie das Kind in eine sexuell explizite Konversation oder sogar ein persönliches Treffen. Die Kinder und Jugendlichen sind dann meist von der Situation überrumpelt oder neugierig, weshalb sie das Gespräch nicht sofort beenden. Fühlen sich die Mädchen oder Jungen irgendwann verunsichert, versuchen die Täter oft, ihre Opfer einzuschüchtern und mit den bereits erhaltenen Fotos und Postings zu erpressen. Dies kann zu einem gefährlichen Teufelskreis führen, bei dem die minderjährigen Opfer sich gezwungen fühlen, weiterhin auf die Forderungen der Täter einzugehen, um eine Veröffentlichung der Bilder zu verhindern.

Erschreckende Zahlen…

In Österreich ist Grooming und Cyber-Grooming seit Jänner 2012 eine gerichtlich strafbare Handlung. So verbietet § 208a StGB (Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen) die Kontaktaufnahme allein mit sexuellen Absichten im realen sowie digitalen Raum bei Personen unter 14 Jahren. Bei Verstoß gegen dieses Gesetz drohen unter Umständen bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe. Dennoch werden jeden Tag junge Menschen Opfer von sexueller Gewalt im Internet. 

Im Auftrag von SOS-Kinderdorf und Rat auf Draht hat das Institut für Jugendkulturforschung erstmals österreichweit Daten zu sexueller Belästigung und Gewalt bei Kindern und Jugendlichen im Internet erhoben. Die repräsentative Befragung von 400 Jugendlichen liefert alarmierende Ergebnisse: So haben mehr als ein Viertel (27 %) aller Kinder und Jugendlichen zwischen 11 und 18 Jahren mindestens schon einmal sexuelle Belästigung im Internet erlebt. Zudem zeigte die Befragung, dass sowohl Mädchen als auch Burschen Opfer von sexueller Belästigung im Internet bzw. Cyber-Grooming werden können, wobei Mädchen in der Regel häufiger betroffen sind als Burschen. Zudem wurde jeder zehnte der Befragten schon einmal erpresst. Die Dunkelziffer dürfte aber deutlich höher sein. 

Wer ist besonders gefährdet Opfer von Cyber-Grooming zu werden?

Unabhängig von Alter, Geschlecht oder Wohnort kann jedes Kind, das sich im digitalen Raum bewegt, Opfer von Cyber-Grooming werden. Dennoch gibt es bestimmte Risikofaktoren, die Grooming begünstigen können. 

Dies ist vor allem der Fall, wenn die Betroffenen sehr jung sind. Demnach sind unter 13-Jährige besonders gefährdet, da sie oft noch nicht über genügend Lebenserfahrung verfügen, um potenzielle Risiken im Internet zu erkennen. Zudem sind Kinder und Jugendliche, die bereits Erfahrungen mit (Cyber-)Mobbing gemacht haben, ebenfalls einem höheren Risiko ausgesetzt, da sie häufig nach externer Bestätigung und Anerkennung suchen und daher anfällig für die perfiden Manipulationsversuche der Täter sind. 

Kinder mit einem kleinen Freundeskreis und schlechten Beziehungen zu ihren Eltern sind ebenfalls einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Denn wenn Kinder keine Vertrauensperson haben, mit der sie über ihre Wünsche, Sorgen oder Probleme reden können, sind sie eher bereit, auf Kontakte im Internet einzugehen. Ein geringes Selbstbewusstsein kann ebenfalls dazu führen, dass Kinder leichter beeinflusst werden können. Sie fühlen sich erstmals verstanden und es schmeichelt ihnen, dass sich jemand anderes für sie interessiert. Dies kann dazu führen, dass Kinder unangemessene Anfragen oder Gespräche mit Tätern akzeptieren, da sie denken, dass sie dadurch eine besondere Beziehung aufbauen oder ihre Unsicherheit kompensieren können. 

Die tägliche Chat-Dauer kann ebenfalls ein Indikator für ein erhöhtes Risiko sein, Opfer von Cyber-Grooming zu werden. Kinder, die übermäßig viel Zeit online verbringen und auf der Suche nach sozialer Interaktion sind, können eher auf potenziell gefährliche Kontakte stoßen. Es ist daher wichtig, dass Eltern und Erziehungsberechtigte aufmerksam sind und ihre Kinder über die Risiken im Internet aufklären, um sie vor Cyber-Grooming zu schützen.

Die möglichen Auswirkungen von Cyber-Grooming

Die Folgen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen können verheerend sein und reichen oft von tiefer Verunsicherung bis hin zu einem gestörten Sexualleben. 

Die Auswirkungen auf die Psyche der Kinder und Jugendlichen sind gravierend und äußern sich teilweise in Angstzuständen, Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen. Häufig schämen sich die Opfer und haben das Gefühl, selbst schuld daran zu sein, was ihnen passiert ist. Als Folge dieser Scham trauen sie sich oft nicht, Hilfe zu holen und ziehen sich aus ihrem sozialen Umfeld zurück, was ihre Situation noch zusätzlich verschlimmern kann. Auch körperliche Symptome wie Kopf- oder Bauchschmerzen sind keine Seltenheit. 

Opfer von Cyber-Grooming müssen auch die schreckliche Angst ertragen, dass ihre intimen Fotos veröffentlicht oder schlimmere Drohungen wahr gemacht werden. Auch der Erhalt von zugeschickten Nacktfotos oder Links zu Pornoseiten kann zu einer tiefen Verstörung bei den Betroffenen führen und das Vertrauen in andere Menschen nachhaltig erschüttern. Darüber hinaus kann Cyber-Grooming auch das spätere Sexualleben der Betroffenen beeinflussen – vor allem wenn es auch offline zum sexuellen Missbrauch gekommen ist.

Was können Eltern tun, um ihre Kinder vor Cyber-Grooming zu schützen?

Damit Minderjährige vor Cyber-Grooming geschützt werden können, sind weder eine konstante Überwachung der Kinder und Jugendlichen noch ein Verbot des Internetzugangs zielführend. Vielmehr sollten Eltern und Erziehungsberechtigte ihre Kinder dazu ermutigen, verantwortungsbewusst mit dem Internet umzugehen und sie über die potenziellen Gefahren aufklären, um so langfristig einen sicheren Umgang mit digitalen Medien zu gewährleisten.

Das Bundeskriminalamt gibt hierfür folgende Tipps, wie Eltern ihre Kinder am besten vor Cyber-Grooming bewahren können:

  • Vertrauen fördern: Eine klare und offene Kommunikation zwischen Eltern und Kind ist besonders wichtig. Eltern sollten Interesse an der Online-Welt ihres Kindes zeigen und ihm signalisieren, dass es bei Problemen immer Hilfe und Unterstützung bei ihnen finden kann, ohne bestraft zu werden.
  • Problembewusstsein schaffen: Kinder sollten über die Gefahren im Internet und allgemein über das Thema Sexualität aufgeklärt werden. Eltern sollten mit ihrem Kind darüber sprechen, dass nicht alle Personen im Internet gute Absichten haben und woran man möglicherweise erkennen kann, ob es sich um einen „Groomer“ handelt. Kinder sollten dementsprechend dazu ermutigt werden, Dinge online wie offline kritisch zu hinterfragen.
  • Verbote vermeiden: Es ist unrealistisch, Kindern zu verbieten, mit Unbekannten im Internet Kontakt aufzunehmen. Stattdessen sollten Eltern gemeinsam mit ihrem Kind Strategien entwickeln und Sicherheitsregeln vereinbaren, um sicher im Netz zu surfen.
  • Bauchgefühl stärken & „Nein“ sagen üben: Es ist auch wichtig, dass Kinder lernen, stets auf ihr Bauchgefühl zu hören und auch deutlich „Nein“ zu sagen, um sich gegen Annäherungsversuche zu wehren. So werden sie für potentielle Täter schnell uninteressant. 
  • Persönliche Daten und Fotos schützen: Kinder sollten darauf hingewiesen werden, niemals persönliche Daten oder Fotos an Fremde im Internet weiterzugeben, da diese auch für falsche Zwecke missbraucht werden können. Richten Sie die Profile in den sozialen Medien am besten gemeinsam entsprechend ein. Eltern sollten auch innerhalb der Familie bedacht mit Kinderfotos umgehen. 
  • Nur in der Öffentlichkeit treffen: Falls das Kind sich mit einer Online-Bekanntschaft treffen möchte, sollten Eltern darauf bestehen, dass dies nur an öffentlichen Orten geschieht und sie darüber informiert werden. Es ist empfehlenswert, dass die Eltern das Kind begleiten und in Sichtweite bleiben.
  • Ruhig bleiben: Wenn Eltern mit ihren Kindern über Cyber-Grooming sprechen, sollten sie sachlich und ruhig bleiben und keine Panik verbreiten. Kinder sollten das Gefühl haben, dass sie ihre Eltern im Fall der Fälle um Hilfe bitten können.

Was tun im Fall von Cyber-Grooming? 

Falls das Schlimmste bereits eingetreten ist, ist es wichtig, nicht in Panik zu geraten, sondern ruhig zu bleiben. Wenn Sie den Verdacht haben, dass Sie oder jemand, den Sie kennen, das Opfer von Cyber-Grooming geworden ist, gibt es einige wichtige Schritte, die Sie unternehmen sollten:

  • Sprechen Sie mit einer vertrauenswürdigen Person wie einem Elternteil, einem Freund oder einem Berater.
  • Sichern Sie alle Beweise wie Screenshots von Nachrichten oder Aufzeichnungen von Anrufen. Diese sind für ein mögliches späteres Verfahren wichtig. Im letzten Schritt können Sie (ggfs. gemeinsam mit den Eltern) zur Polizei gehen und Anzeige erstatten.
  • Melden und Blockieren Sie den Täter auf allen Online-Plattformen, auf denen Sie Kontakt hatten, damit Konsequenzen folgen können. 
  • Scheuen Sie sich nicht, in dieser belastenden Situation professionelle Hilfe anzunehmen.

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