Den Mythos beenden, Sexkauf verbieten

Eine Nachtaufnahme eines Rotlichtmilieus mit vielen Menschen auf der Straße.

„Prostitution ist die maximale Selbstbestimmung der Frau“. „Prostitution sagt man nicht mehr, wir sprechen von ‚Sexarbeit‘ und ‚Sexarbeiter:innen‘“. In solchen Aussagen spiegelt sich der Imagewandel, den das sogenannte „älteste Gewerbe der Welt“ derzeit unterläuft. Aus dem Schatten und Stigma in die Sichtbarkeit.

MYTHEN DER PROSTITUTION

Ein Leuchtschild mit der Aufschrift „Girls“ und den Konturen von drei Frauen.

Frauen, die ihren Körper verkaufen, sehen sich inzwischen weit weniger Stigma ausgesetzt als bisher. Die dritte Welle des Feminismus brachte mit sich eine neue Vorliebe für „Handlungsfähigkeit“ oder „Ermächtigung“, die anstelle von Viktimisierung getreten ist. In der Sprache zeichnet sich dies ab, indem von „Überlebenden“ anstelle von „Opfern“ von z.B. Gewalt gesprochen wird. Dies ist fundamental und absolut nicht wegzudiskutieren. Auf der anderen Seite der Medaille findet sich jedoch eine Weg-Theoretisierung von Mach- und Unterdrückungsstrukturen, von systemischer Gewalt und Missbrauch. So auch im Falle von Prostitution, die von Mythen und Beschönigungen maskiert wird.

UNSICHTBARE ZWÄNGE

Zwei junge Frauen, die an eine Mauer gelehnt rauchen.

Husche Mau kennt die Realität. Sie war selbst über ein Jahrzehnt eine der Frauen, die Ihren Körper an Männer verkaufen. Nach ihrem Ausstieg aus dem Sexgeschäft macht sie sich gegen Prostitution und für Prostituierte stark. Sie wehrt sich vehement gegen die Bezeichnung „freiwillige Prostitution“. Huschke Mau sieht jede Situation, in der Prostitution betrieben wird, als Zwang an. „Unsichtbare Zwänge“ nennt sie die üblichen Faktoren, die dazu bewegen, sich zu prostituieren. Geldnot und Drogen-Abhängigkeit sind die häufigsten Gründe, sagt sie. Deswegen ist Prostitution immer Zwangsprostitution. Sowas wie Freiwilligkeit gibt es in diesem Kontext nicht. Wer sich weigert, verlangte Praktiken durchzuführen, ohne Kondom Sex zu haben oder genügend Lust vorzuspielen, bekommt unangenehme Besuche von Zuhältern. Für Verspätung, Unordnung oder Unzufriedene Kunden gibt es Strafgelder. Eine Spirale, in der sich die prekäre finanzielle Lage erhält oder zuspitzt. Auch ein Bordell zu verlassen oder zu wechseln ist schwer möglich. Auch hier kann nicht von Freiwilligkeit gesprochen werden. Die Realität ist Freikaufen. Das Geld dafür haben die meisten nicht.

MISSBRAUCH, NICHT LUST

Eine junge Frau mit einem blauen Auge und zugeklebtem Mund

Situationen in der Prostitution haben nichts mit lustvollen Zusammentreffen zu tun. Viele Männer, die sich Sex kaufen, wollen nicht Befriedigung oder gar Zuneigung, wie ein Mythos rund um Prostitution oft lautet. Es sind Machtverhältnisse und Gewaltszenarien, die viel eher die Realität sind. Es gibt eigene Worte dafür, wie zum Beispiel „Hate Fuck“. Das bedeutet, dass der Freier Aggressionen und negative Emotionen in gewaltvollen sexuellen Akten abbaut. Die Grenze zur Vergewaltigung wird dabei nicht nur verwischt, sondern überschritten. Verbale Erniedrigung, Abwertung und Objektifizierung müssen Prostituierte permanent über sich ergehen lassen. Zeugnis davon findet sich in Online-Foren, in denen sich Freier austauschen. Für die Aussagen, die dort getroffen werden, sind „demütigend“ und „entmenschlichend“ zu sanfte Worte.

SCHWEDEN ALS VORBILD

In Schweden ist es seit 1999 verboten, Sex käuflich zu erwerben. Das Sexkaufverbot nach „nordischem Modell“ sieht neben der Kriminalisierung der Sexkäufer und Zuhälter bzw. Bordell-Betreibern auch die Entkriminalisierung von Prostituierten sowie die Finanzierung von Ausstiegsprogrammen vor. In Schweden bringt das Modell nachweisliche Erfolge. Sexkauf hat inzwischen einen Image-Wandel erfahren. Die Nachfrage ist deutlich gesunken, Freier zu sein ist inzwischen verpönt.

Eine Frau mit extremen Make up in Dessous telefonierend.

Huschke Mau setzt sich für das Sexkaufverbot in Deutschland ein. Sie berichtet offen von ihrer Zeit als Prostituierte. Eine Seltenheit. Viele aus dem Milieu – sowohl noch als auch nicht mehr aktiv – möchten nicht darüber sprechen. Viele haben Angst vor Stigmatisierung, Repressalien, Gewalt. Es fehlt Schutz und Unterstützung, sagt Huschke Mau. Sie möchte dem Entgegenwirken, Aufklären und Prostituierten beim Ausstieg helfen. Ihr Netzwerk Ella bietet eine Hotline für Frauen in Not. In dem Onlineforum gibt es einen Bereich, der für Gäste zusätzlich ist. Das Netzwerk sucht Austausch mit Personen, die sich ebenfalls für die Abschaffung der Prostitution einsetzen. Ansonsten ist das Forum Prostituierten und ehemaligen Prostituierten vorbehalten, damit sie sich in einem geschützten Rahmen austauschen können. Unterstützung können Prostituierte auch in Form von Lebensmittelgutscheinen für Supermärkte erhalten. Falls jemand ein Bußgeld wegen des coronabedingten Prostitutionsverbots bekommen hat, kann das Netzwerk Ella auch dabei helfen. Neben Solidaritätsbekundungen macht das Netzwerk Ella auf seiner Homepage vor allem klar: „ Prostitution ist keine Dienstleistung und kein Beruf, sondern Ursache und Auswirkung eines ungerechten Geschlechterverhältnisses. […] Prostitution ist sexuelle Gewalt.“ Mit ihrem Buch möchte Sie aufklären und verständlich machen, wie Menschen in die Prostitution geraten. In dem Interviewtrailer spricht Huschke Mau über die vermeintliche Freiwilligkeit in der Prostitution. Für viele Frauen, sagt sie, ist Prostitution die letzte Möglichkeit. Es gibt keine andere Option. Wie kann von Freiwilligkeit gesprochen werden, wenn es keine Alternative gibt?